Ließen sich Filmemacher in der Frühzeit des Kinos oftmals von Dramentexten inspirieren, so bewähren sich im Medienzeitalter seit einigen Jahren Theateradaptionen von Kultfilmen als Kassenfüller. Nun setzt das Theater in der Josefstadt mit einer vom Premierenpublikum mit Jubel und Applaus gefeierten Bühnenfassung von Kay Pollaks "Wie im Himmel" (2004) einmal mehr auf dieses Erfolgsrezept.
Der schwedische Regisseur, Jahrgang 1938, erzählt in seinem Film die Geschichte des genialen, hypersensiblen, aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Dirigenten Daniel Daréus, dem die Musik als "Ausdruck von Liebe oder Flehen um Liebe" zum Lebensinhalt geworden ist. Am Höhepunkt seiner Weltkarriere zieht er sich in sein Heimatdorf zurück, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Immer noch leidet der einst von den Dorfjungen als Außenseiter "mit der Fiedel" Verspottete und Misshandelte an traumatischen Kindheitserinnerungen. Überdies fühlt er sich für den Selbstmord eines Bratschisten verantwortlich.
Als er - zunächst nur widerwillig - die Leitung des Kirchenchores übernimmt und den Menschen ein völlig neues Verständnis für Musik eröffnet, brechen in dem verkrusteten Ort im hohen Norden verkrustete Strukturen auf. Der bigotte, Christentum als starre und unbarmherzige Morallehre auslegende Pastor bezichtigt ihn als Manipulator, der ihm seine Schäfchen abspenstig macht, kann aber nicht verhindern, dass seine Gemeindemitglieder zu einem neuen Selbstbewusstsein finden. Und schließlich wird Daréus kurz vor seinem Tod Liebe nicht nur als Musik, auch im Leben zuteil.
Brutalität und Gefühl
Janus Kica sorgt in einer straffen, Brutalität und Gefühl geschickt kontrastierenden Inszenierung dafür, dass die reichlich melodramatische Geschichte nicht in Sentimentalität und Kitsch abgleitet, sondern in so manchen Momenten wirklich berührt. Die bestens funktionierende Drehbühne (Bühne und Kostüme: Karin Fritz) unterstreicht dabei die filmische Dramaturgie. Auch die Musik (Kyrre Kwam) und der von Andreas Salzbrunn geleitete Chor beeindrucken.
Christian Nickel als Daréus zeigt einen innerlich verunsicherten, doch von der Kraft einer das Leben bestimmenden und den Tod überdauernden Musik überzeugten Menschen, der sich allerdings mit alltäglichen Erfordernissen schwer tut. Zwischen ihm und der jungen, naiv-aufmüpfigen Lena - ausgezeichnet: Alma Hasun - entwickelt sich allmählich eine nicht in Worte zu fassende Beziehung. Durchaus zum Missfallen des Pfarrers (Michael Dangl), von dem sich schließlich sogar seine von Sona MacDonald subtil charakterisierte Frau lossagt. Auf der Seite des Pfarrers verharrt hingegen Conny (Oliver Huether), einst Anführer der den kleinen Daniel marternden Rabauken. Er hält es nun für sein gutes Recht, seine Frau - brillant: Maria Köstlinger - zu demütigen und zu verprügeln, bis diese ihn mit ihren Kindern verlässt.
Auch der geistig behinderte Tore (Matthias Franz Stein) wird in den Chor integriert, der zu einem Chorwettbewerb nach Wien eingeladen wird. Trotz Drohungen des Pastors stehen die Chormitglieder zu dem vom Kirchenrat gekündigten Dirigenten, bis hin zur verschmitzten greisen Olga (Maria Urban). Abtrünnig wird nur die moralinsaureSiv (Therese Lohner), sobald sie bemerkt, dass sich Daniel Lena und nicht ihr zuwendet.
Kica gelingt es, allen Mitwirkenden des personenreichen Stückes einen im Gedächtnis bleibenden Auftritt zur Profilierung ihrer Figuren zu ermöglichen. Ein gelungener Schauspielerabend, immerhin. Und das Stück könnte man, mit gutem Willen, als utopisches Märchen über einen Weg hin zu einer besseren, verständnisbereiten Welt verstehen.
Theater
Wie im Himmel
Von Kay Pollak
Theater in der Josefstadt
Wh.: 9., 10., 25. November