
Was den Sponsor geritten hat, dem Publikum in seiner Lautsprecherdurchsage eine "gute Unterhaltung" zu wünschen, ist schwer zu sagen. "Theater ist kein Entertainment", meint Frie Leysen bekanntlich, die Schauspielchefin der Wiener Festwochen. Und im ersten Intendantenjahr von Markus Hinterhäuser findet dieses Credo auffallend oft Bekräftigung: Nach einer beklemmenden Neufassung von Glucks "Orfeo" (mit einer Wachkomapatientin im Opernzentrum) rüttelte zuletzt unter anderem ein moderner Reineke Fuchs gewalttätig an den Publikumsnerven.
Nun also der nächste Streich: "Bluthaus" im Theater an der Wien. Das klingt so schockschwer, wie dieser Opernabend auch gedacht ist: Irgendwo, "tief im Süden Niederösterreichs", hat sich ein Mann ein Eigenheim erbaut; das Verhältnis zur Tochter ist mehr als nur familiär. Nadja heißt das Kind, wird allmählich erwachsen. Irgendwann kann die Mutter nicht mehr zusehen: Sie ersticht den Vater, legt danach Hand an sich. Wie lebt Nadja weiter? Sie will fort, rasch das Haus verkaufen. Grünlage, möbliert, bezugsfertig, wirbt ihr Makler also - hier beginnt das Stück. Dass die Wände hinter dem frischen Verdrängungsweiß blutrot sind, werden die Kaufinteressenten am Ende aber doch noch erfahren. Die Geister der Vergangenheit, sie lassen Nadja nicht los.
Große Erwartungen
Ein Inzestdrama wie im Fall . . ? Händl Klaus, Dramatiker und Librettist, weist den Verdacht auf eine Konjunkturjagd ebenso von sich wie der Komponist Georg Friedrich Haas. Die Idee zu "Bluthaus" sei schon vor 14 Jahren entstanden; das Projekt wäre dann von einer schaurigen Realität eingeholt worden. Wobei: Die realen Horrorschlagzeilen dürften das Interesse an "Bluthaus" natürlich befeuert haben. 2011 ist die Oper bei den Schwetzinger Festspielen uraufgeführt worden; die Resonanz war dermaßen überwältigend, dass das österreichische Kreativduo dort mittlerweile ein zweites Stück ("Thomas") nachgeschoben hat.
Und natürlich hat dieses "Bluthaus" nun auch das Wiener Festwochen-Publikum neugierig gemacht. Nur leider: Bei der österreichischen Erstaufführung (oder wie es offiziell heißt: Uraufführung der Neufassung, immerhin hat Haas einiges neu komponiert) konnten die Erwartungen nicht so ganz erfüllt werden.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich, erwachsen aber weitgehend aus dem Libretto. Wobei: Es ist dies schon ein suggestiver Text, der Voyeurismus durch seine Symbolferne meidet und subkutanen Horror entfachen kann. Für eine Opernlänge von knapp zwei Stunden wirkt er aber deutlich zu lang, wirft dabei auch ganz handfeste Probleme auf. Nämlich, was den Einsatz von Übertiteln betrifft. Einerseits ist der Verzicht im Theater an der Wien verständlich: Weil die Worte im Staccato-Express dahinrasen, käme das Auge vor lauter Lesestress gar nicht mehr zur Bühne. Doch ohne die Lesekrücke sind die Ohren überfordert: In den seltensten Fällen versteht man, was der Sopran und der Countertenor in hoher Lage singen, ganz zu schweigen von der Frage, was das Knabenterzett hier zu sagen hat und warum es überhaupt da ist. Und nicht zuletzt: Es fördert die Verständlichkeit auch nicht eben, dass Händl Klaus jeden Satz auf mehrere Personen aufsplittet.