Wien. (irr) Eigentlich ein Wunder, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist: Im nächsten Jahr ziert erstmals ein Labyrinth die Plakate der Wiener Festwochen. Ein Bezug ist da schon durch die Dimensionen der Veranstaltungsreihe gegeben: Wiens größtes Festival prunkt alljährlich (das nächste Mal: 14. Mai bis 21. Juni) mit einem dermaßen dichten Programm, das sich selbst im Rahmen einer (mindestens) einstündigen Pressekonferenz nie ganz erschließt.

Es wäre andererseits nicht Intendant Markus Hinterhäuser, würden diese Kunstmassen (diesmal 39 Produktionen, 236 Vorstellungen) nicht auch Querbezüge aufweisen. Einen Ariadnefaden gewissermaßen, wie ihn auch das zweite Plakatsujet für 2015 zeigt. Ein solcher Faden ist im nächsten Jahr vor allem das Thema Macht: Es schlängelt sich durch weite Strecken des Programms, das laut Hinterhäuser erneut genreübergreifend erarbeitet worden ist.

Herrscher en masse

Eine Grobeinteilung in eine Musik- und - traditionell gewichtiger - Theaterschiene lässt sich dennoch treffen. Für die Letztere zeichnet (seit dem Abgang von Frie Leysen und ihrer Kritik an "unflexiblen" Strukturen) Stefan Schmidtke verantwortlich. Zum Festwochen-Start wird es drei Premieren setzen: Im Volkstheater läuft mit "Tote Seelen" (ab 20. Mai) eine Bühnenadaption von Nikolai Gogols unvollendetem Roman, die aus dem Gogol-Zentr Moskau kommt. Während die absurde Geschichte im Theater nicht "zwangsmodernisiert" würde, erfährt Peter Handkes "Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten" (ab 21. Mai) ein Update. 23 Jahre nach der Uraufführung des sprechtextlosen Stücks bei den Wiener Festwochen arbeitet das Regieteam Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper die vielfältigen sozialen und politischen Umwälzungen auf, die sich in der Zwischenzeit vollzogen haben. Ebenfalls zeithistorisch beseelt ist das Gastspiel der "Apple Family" im Museumsquartier: Die fiktive Sippe vertieft sich in einem Zyklus von vier Stücken respektive Familientreffen in die vergangenen Jahrzehnte der US-Geschichte (ab 19. Mai).

Zwei Uraufführungen widmen sich wiederum Figuren der englischen Geschichte: So schreibt Ewald Palmetshofer, zuletzt hochgelobt für seine "Unverheiratete" am Akademietheater, ein völlig neues Stück auf der Basis von Christopher Marlowes "Edward II." (ab 26. Mai, Schauspielhaus). In "Kings of War" wiederum drängt die Toneelgroep Amsterdam drei Shakespeare-Dramen (nämlich "Henry V.", "Henry VI." und "Richard III.") zu einem Theaterabend mit deutschen Übertiteln zusammen. Und Regisseur Simon Stone kümmert sich in einer Neuinszenierung um den Ibsen-Bankrotteur "John Gabriel Borkman", (ab 28. Mai im Akademietheater mit Martin Wuttke). Weitere Schauspiel-Highlights: ein Wiedersehen mit Frank Castorf bei den "Brüdern Karamasow", zu sehen am Spielort F23 in der Breitenfurter Straße. In der ehemaligen Sargfabrik der Stadt läuft auch die afrikanische Kunstfilmreihe "Analogue Eye". Warum es sich dabei um ein "Drive-in-Theater" handelt, wird noch nicht verraten.

Ein Nachspiel für Blaubart

Zwar gilt keine der fünf Uraufführungen dem Musiktheater. Das Opernprogramm in Hinterhäusers vorletztem Wiener Jahr (danach wechselt er an die Spitze der Salzburger Festspiele) scheint trotzdem geeignet, den prallen hiesigen Kalender sinnvoll zu ergänzen: Aus Potsdam kommt eine szenische Fassung von Händels Oratorium "Jephtha", in dem der Titelheld die eigene Tochter ermorden muss. Andrea Breth wiederum inszeniert "Herzog Blaubarts Burg" neu und ergänzt die Bartók-Oper um ein unkonventionelles Nachspiel mit Musik von Robert Schumann ("Geistervariationen").

Eine weitere Neuproduktion gilt Salvatore Sciarrinos Oper "Luci mie traditrici - Die tödliche Blume" (Regie: Achim Freyer). Und mit "Ohne Titel Nr. 1" gastiert im Burgtheater ein "Operncomic" des Berliner Theaterüberraschungsmanns Herbert Fritsch. Die Festwochenkonzerte finden nächstes Jahr im Konzerthaus statt, ein Schwerpunkt zum polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg im Musikverein. Die traditionelle Eröffnung am Rathausplatz entfällt ausnahmsweise, als Grund dafür wird der Song Contest genannt. Stattdessen gilt das Sommernachtskonzert der Philharmoniker (14. Mai, wie immer gratis in Schönbrunn) diesmal als offizieller Auftakt.