
Die brasilianische Gruppe mit dem unübersetzbaren Namen "Cia Hiato" führt ihre Bühne gerollt und gefaltet mit sich. Grasgrün der Nylonteppich, Umzugskartons sonder Zahl. Daraus zaubern die sieben Darsteller flink einen Garten und die Villa dazu, die Burg einer bürgerlichen Familie. Nicht nur Hausbesetzer und wackelige Besitzverträge, von denen die Rede ist, zerstören hier das Biotop. Man hat sich auseinandergelebt. Seit dem biblischen Paradies ist der Garten Symbol für Schutz und Hut, nicht nur für Kinder, auch für Philosophen. Jetzt gehen sieben Heimatlose auseinander. Nur vom dementen Vater weiß man wohin. Ein junges Paar zankt sich zur Scheidung durch. Eine Tochter ist längst ins Ausland geflohen. Der Schwangeren ist der Kindsvater abhanden gekommen. Eine andere klammert sich an die Haushälterin.
Aus den Kartons quellen laufend Gasballons und entfliehen nach oben. Geplatzte Hoffnungen? Alte Fotos werden hervorgekramt. Dies und das, ein Kinderhemd oder abgelegtes Abendkleid, bringt die Erinnerung zum Sprudeln. Melancholie der gewöhnlichen Art. Eine Kassandra warnt: "Diese Art von Vergessen werden wir noch bedauern." Zu spät! Rosamunde Pilcher ist schon zerschnitzelt zum Sitcom-Format. Wie auf drei über Kreuz gestellten Fernsehschirmen werden die Abschiedsszenen synchron auf drei Bühnen vorgeführt. Vor jeder der drei Zuschauertribünen sind Schachteln zu Zimmerwänden hochgestapelt. Hier dreht sich nicht die Bühne, hier wandern zwei oder drei Akteure einer Szene weiter in die nächste. Logistisch ein Meisterstück: Eine Wiese mutiert zu drei bürgerlichen Stuben. Und auch komisch, wenn eine Zimmerbesatzung schon wieder den Streit nebenan mitbekommt. Egal wo der Gast sitzt, er bekommt alles mit.
Typenkollektion
Den Mitspielern ließ der Regisseur und Autor Leonardo Moreira ihre eigenen Vornamen. So heißen nun die Menschen in seinem Stück "Garten" ("O Jardim") Thiago, Mariah Amélia, Aline, Rita, Paula, Edison, Fernanda. Die Damen gewandet in vielen abgeschatteten Farben, Opa in Pantoffeln. Kraftvoll, auch wohltuend herb und als Typenkollektion bezaubernd. Doch hat man nicht schon jedes Wort gehört, wo Kinder ausziehen, Ehepaare streiten und die Tochter, die den Vater pflegt, der Schwester, die sich selbstverwirklicht, Vorwürfe macht? Wie aus einem Traum erwachen die sieben, wenn sie zum Schluss die Transportkartons weggeräumt haben und im Garten der Kindheit noch einmal zusammenstehen. Verlöschendes bürgerliches Leben, verlöschende Lichter, ein zerzaustes Finale.
Theater
Der Garten
Von Leonardo Moreira (Text und Regie)
Gruppe Cia Hiato, São Paulo
Wiener Festwochen
Halle G im Museumsquartier
Wh.: 29. und 30. Mai