(dawa) Fraglich, ob Alexander Borodins hierzulande bestenfalls dank der "Polowetzer Tänze" bekanntem Opernsolitär "Fürst Igor" zu Repertoireruhm verholfen werden kann. Die Volksoper nahm die Herausforderung nun jedenfalls zum zweiten Mal seit 1960 an und konnte punkten. Das Bühnenepos (posthum komplettiert von Rimski-Korsakow), das alle Facetten menschlichen Begehrens beleuchtet, vermittelt sich klar - auch in der deutschsprachigen Volksopernfassung aus den pragmatischen Federn von Christoph Wagner-Trenkwitz und Klaus Busch.
Die russische Poesie erhielt sauber verpackte Reime: Igor (stimmlich präsent, szenisch enttäuschend: Sebastian Holecek) zieht aus, die Barbaren von Polowetz zu besiegen, wird aber samt Sohn Wladimir (strahlender Tenor: Vincent Schirrmacher) von deren Khan Kontschak (Sorin Coliban mit aller gebotenen Sonorität) gefangen genommen. Zurück bleibt die verzweifelte Fürstin Jaroslawna (Melba Ramos forcierte bisweilen) mit dem machtbesessenen Schwager Galitzky (überzeugend: Martin Winkler). Währenddessen erleben Vater und Sohn in den geschmacklosen Polowetzer Gärten den um Freundschaft buhlenden Oberbarbaren wie Tochter Kontschakowna (schwer dramatisch: Annely Peebo), die Prinz Wladimir freit. Erfolgreich: Der Gefangene der Liebe bleibt bei den Wilden, der Vater rettete die Heimat.
Bedauerlicher Regie-Mangel
Dass das ziselierte Werk an der Volksoper Stringenz bietet, verdankt sich mehr dem starken Einsatz des Ensembles denn den beliebigen Bildern von Regisseur Thomas Schulte-Michels. Statische Massenauftritte (Kostüme: Teresa Rotemberg, unterwegs in Wieland Wagners Trickkiste) und ebenso statische Szenen, etwa am naiv wirkenden Sonnenblumenfeld, schmälerten die Ernsthaftigkeit der vielleicht nachdenklich gedachten Inszenierung. Der Mangel an Personenregie war äußerst bedauerlich. Dafür wurde die Sinnlichkeit der Polowetzer durch reichlich Ausdruckstanz inklusive Breakdancern gestört.
Der größte Dank gilt dem Orchestergraben: Die russische Nationaloper aus slawischen Urmelodien, Impressionismus und exotischen Ausritten war bei Alfred Eschwé und dem Volksopernorchester in besten Händen.