
Eine Reihe Waschbetonblumentöpfe, vor der ein zitronengelbes Cabrio parkt, zwei Insassen. Von der Frau lugen zu Beginn nur die Beine aus dem Auto, lange Beine mit Stöckelschuhen, lässig-lasziv. Der Fahrer steht derweil an der Bühnenrampe, spielt mit dem Autoschlüssel, aufgeknöpftes Hemd, Goldkette, Slipper. Er fragt: "Oder wir nehmen ein Zimmer im Ibis und vögeln gleich .. . wäre mir ohnehin lieber." Sie antwortet: "Im Ibis . . .!"
Er ist Boris, sie ist Andrea. Eine amour banale inmitten einer Riviera-Kitschlandschaft, so beginnt "Bella Figura", das jüngste Stück von Yasmina Reza im Akademietheater. Die Erfolgsautorin, bekannt für pointierte Dialoge, Bonmots-Pingpong und feinziselierte Frechheiten, findet hier nicht zu ihrem typisch leichtfüßig-süffisanten Tonfall. Die Sprache bleibt seltsam stumpf, auch entwickelt "Bella Figura" für ein Ehebruchsdrama erstaunlich wenig Bosheit und Biss. Es ist die entsetzliche Normalität und die Banalität eines Ehebruchs, die 90 Minuten lang erschöpfend ausgebreitet werden. Die Figuren bleiben dabei eindimensional, entfalten sich kaum im Lauf der Handlung. Selbst so spielfreudige Schauspieler wie Joachim Meyerhoff und Caroline Peters haben dem wenig entgegenzusetzen.
Zickige Nervensäge
Meyerhoff ist der Möchtegern-Casanova Boris, dem nichts Besseres einfällt, als seine Geliebte Andrea in jenes Restaurant zu führen, das ihm seine Ehefrau empfohlen hat. Caroline Peters ist von ihrem ersten Auftritt an wahlweise zickige Nervensäge und beleidigte Geliebte: Andrea versprüht Anti-Insektenspray als wäre es Parfum, sie ist tablettensüchtig und dem Alkohol zugeneigt. Peters schimpft und schäkert sich mit Elan durch den Abend, ragt aus der bürgerlichen Fadesse hervor, der sich die anderen Figuren bald ergeben. Was Andrea aber wirklich will, bleibt bis zum Schluss ein Rätsel.
Durch einen folgenschweren Zufall wird der Ehebruch aufgedeckt. Beim Ausparken fährt Boris eine ältere Dame um - Yvonne, die Schwiegermutter von Françoise, die wiederum die beste Freundin von Boris Ehefrau ist. Yvonne, Françoise und ihr Mann Eric waren auf dem Weg ins Restaurant, um den Geburtstag der Schwiegermutter zu feiern. Da sie den Unfall unbeschadet überstand, laden die drei Boris und Andrea spontan ein, mit ihnen zu feiern. Die beiden sehen sich genötigt mitzukommen.
Vor dem Hintergrund zerbrochener Familien und wackeliger Patchwork-Konstruktionen - Françoise (Silvie Rohrer) und ihr zweiter Mann Eric (Roland Koch) sind geschieden und haben Kinder, aber nicht miteinander - bleibt Boris Ehebruch nicht unentdeckt. Doch auch die Gespräche im Restaurant mit Glitzervorhang und Aquarium dringen kaum je zu jenem Punkt des Peinliches vor, der Komödien erst zum Funkeln bringt. Bis auf Kirsten Dene, die der dementen Schwiegermutter komische Momente abgewinnt, bleiben die Nebenrollen eher schablonenhaft.
Geplauder mit Hintersinn
Das amüsante Geplauder mit Hintersinn, das sonst den Stoff bildet, aus dem die 56-jährige Pariser Autorin ihre weltweit erfolgreichen Bühnenstücke - "Kunst", "Drei Mal Leben", "Der Gott des Gemetzels" - schuf, zündet in "Bella Figura" nicht. Regisseur Dieter Giesing, 81, der im Burgtheater bereits "Gott des Gemetzels" inszenierte, interpretiert den Text punktgenau, wodurch die Aufführung indes noch behäbiger wirkt.
Der szenische Höhepunkt ereignet sich auf der Restauranttoilette. Meyerhoff und Peters gehen sich herzhaft an die Wäsche, Boris trägt eine geschmackssichere zitronengelbe Unterhose. Natürlich werden sie entdeckt. Bald darauf muss Peters tief in die Klomuschel greifen, um nach dem Notizbüchlein der Schwiegermutter zu fischen. Danach kommt nicht mehr viel.