Krems. Unter einem Zelt aus Neonröhren treffen auf gehäkeltem Boden mit Gold und Gummi umhüllte Menschen aufeinander. Die Installation "Who With Their Fear Is Put Beside Their Part" von Ryan Mitchell, Ben Zamora und Casey Curran bildet die Kulisse für die Performance "Frail Affinities". Ein Werk der Gruppe Saint Genet, die sich rund um Mitchell, einen treuen Begleiter des Donaufestivals, formiert. So schön wie die Installation selbst, ist auch die Musik, ein elektronisches Dröhnen, begleitet von Klavier und Streichern.
Im Kontrast dazu ist umso beunruhigender, was passiert: Die Performance nimmt lose Bezug auf eine Gruppe von amerikanischen Siedlern, deren Gemeinschaft sich bei der Durchquerung der USA im Winter 1846 in der Sierra Nevada im Überlebenskampf zersetzte. Es entstehen Bilder von Gewalt und Mühsal. Bewegungen wiederholen sich über Stunden, sodass nicht nur das Aufführen, sondern auch das Zusehen zur Kraftanstrengung wird. Gleichzeitig schaut man sich in Trance, ist unfähig den Blick abzuwenden. Am Ende gehen Performer und Publikum erschöpft und ohne große Beifallsbekundungen auseinander.
Masturbationalismus
Neben Saint Genet ist das Wiener Künstlerkollektiv Gods Entertainment ein nicht weniger langjähriger Gefährte des Donaufestivals. Von ihm stammt der zweite Beitrag, der wesentlich das Thema des heurigen und letzten Festivals unter der künstlerischen Leitung von Tomas Zierhofer-Kin mitbestimmt: Gesellschaft und deren Zusammenbruch.
Bereits bei ihrer Installation werden Gods Entertainment recht deutlich: "Al Paradiso" lädt ein, sich in gepolsterte Särge zu legen und den Blick nach oben zu richten. Hat man sich einmal überwunden, hört man mit klopfendem Herzen ein dumpfes Wummern, während an der Decke die Sonne durch die Wasseroberfläche scheint und Fischschwärme über einen gleiten.
Um Europas Flüchtlingspolitik geht es auch in der dazugehörigen Performance "Niemand hat euch eingeladen - Teil II der Neuen Europäischen Tragödie". Gleich zu Beginn heißt es: "Wenn ihr wegen des Mitleids gekommen seid, könnt ihr gleich wieder gehen."
Bilder der Tragödie seien nicht darstellbar, stattdessen wird "österreichische Erde" hereingebracht, gerecht und gewassert. Kapuzengestalten erscheinen abwechselnd in den Farben der ungarischen und österreichischen Flagge, bevor sie ihre Umhänge abnehmen und in die Kirche gehen. "Ich habe niemanden eingeladen, ich lade niemanden ein", schallt Faymanns Sager im Stimmengewirr deutlich hörbar aus dem Lautsprecher. Auch die Mauer bekommt einen großen Auftritt. Die Collage reiht verschiedene drastische Motive aneinander, bis hin zum Schaukasten für "Masturbationalismus", mit dem man sich beim Hinausgehen an Nation und Staat ergötzen kann. Am Schluss mag keiner mehr für die Bundeshymne aufstehen, auch an Applaus ist nicht zu denken.
Fröhliches Denunzieren
In der Amtsstube über dem Stadtcafé Ulrich hängen Stickereien, auf denen "auf frischer Tat ertappt", oder "Landesfürst" zu lesen ist. Mit einem ganz praktischen Aspekt von Gemeinschaft beschäftigt sich die "Kunstinspektion Donau" von Julius Deutschbauer, Barbara Ungepflegt und David Jagerhofer.
Seit dem 25. April wird zum "fröhlichen Denunzieren aufgerufen", so Deutschbauer. Er zählt seither 62 Anzeigen. Eine richte sich beispielsweise gegen jeden dritten Kremser, der den FPÖ-Hofburg-Kandidaten Norbert Hofer wählte. Alle Anzeigen wird das Ermittlungstrio mit ihrem Einsatzwagen, einer Ape 50 Europe mit Spitzengeschwindigkeiten von 20 km/h bergab, gar nicht bearbeiten können. Ein Termin mit dem Bürgermeister ist aber bereits angesetzt, um über Büchereiöffnungszeiten und den Zugang zum jüdischen Friedhof zu sprechen.
Beim Ermitteln stoßen die Fake-Inspektoren auf einen Beamtenapparat mit steilen Hierarchien. Da merke man, so Deutschbauer, dass ein selbst ernannter Landesfürst an der Spitze stehe. Landeshauptmann Pröll habe übrigens noch niemand angezeigt, wundert sich Ungepflegt. "Traut sich wohl keiner," vermutet sie, während sie ein "zeigen Sie an" auf einen Fetzen stickt.