Ein weißes Aquarium-Raumschiff ist gestrandet im Wiener Museumsquartier. Darin macht Kris Kelvin eine Reise zum Planeten Solaris. Und in die Untiefen seines eigenen Bewusstseins. Die Bühnenadaption des Science-Fiction-Romans von Stanislaw Lem durch Andriy Zholdak, die nun bei den Wiener Festwochen zu Gast war, beginnt mit eindrucksvollen, dabei gleichzeitig simplen Bildern. 16 Monate schläft der Psychologe/Kosmonaut Kelvin (Dejan Lilic) auf seinem Weg durchs All, seine Träume dabei illustriert Zholdak kontemplativ und leitmotivartig, etwa mit einer Viehherde, einem Wald, sich dahinwälzendem Verkehr - Projektionen auf Leinwänden, die auf- und niedergefahren werden. Kelvin und sein Alter Ego als kleiner Bub (Dario Eftimovski) werden von den Bildern eingefangen und weitergetrieben. Der alte Kelvin kommt dem kleinen zu Hilfe, als der nicht auf einen Vogel schießen will, wie ihm sein Vater befiehlt. Panflötenbeats begleiten das Kapitel, in dem Kelvin sich in Rheya (Darja Rizova) verliebt. Quasi im Zeitraffer wird geschildert, wie sie sich von ihm verlassen fühlt und sich darob hysterisch, noch im Brautkleid, selbst zerstört.

Zeitraffer ist aber nicht das Wort, das Zholdaks "Solaris"-Version gut beschreibt, das ist dann schon eher: Zeitlupe. Mitunter quälend langsam bewegt sich Kris Kelvin und die Dramaturgie mit ihm. Dieses Konzept ist freilich auch schlüssig, orientiert es sich doch an schwebenden Bewegungen der Schwerelosigkeit im All genauso wie an den Gegebenheiten in einem Traum, in dem man auch gefangen ist in einer gallertigen Geschwindigkeit.

Oft scheint es, als dürfe man sich in dieser Geschichte nicht zu schnell bewegen, damit man sich nicht verletzt. Die meditative Qualität, die hier dadurch gelingt, erinnert zudem an die Sprache von Lems Roman, in dem Kaskaden der pseudo-wissenschaftlichen Ausführungen eine durchaus ähnliche Wirkung haben.

Die Schuld in Person


Zholdak hat hier eine eher intuitive, weniger intellektuelle Annäherung an "Solaris" gewagt. Er konzentriert sich auf das Phänomen, dass ein "lebender Ozean" dieses Planeten mit Menschen in Kontakt tritt, indem er lebende Abbilder von Schuldgefühlen visualisiert. In Kelvins Fall also Rheya, für deren Selbstmord er sich verantwortlich fühlt. Zholdak hält sich nur wenig auf "Solaris" selbst auf (im Roman wie auf dem Planeten), er taucht vielmehr ins allgemeine Unterbewusste ab. Oder, wie es eins der Kurzvideos im Wiederholungsloop so schön illustriert: Es strudelt Kelvin in das All hinaus, wie es ihn in seine Schuldgefühle hineinstrudelt.

Im ersten Teil ist Zholdaks Konzept nachvollziehbar und packend, sein einfaches und symbolschwangeres Bildertheater beeindruckt und fesselt trotz der provokanten Langsamkeit. Im zweiten Teil verliert sich der Regisseur aber in religiös-metaphorischen Deutungen, Teufel und Christus haben ihren Auftritt. Tröstlich jedenfalls, dass der erschöpfte Zuseher (also jene wenigen, die nicht schon während der Aufführung das Handtuch warfen) mit der Botschaft entlassen wird, dass es Hoffnung für jeden Sünder gibt.

TheaTer

Solaris

Halle E, Wiener Festwochen