Diesmal war auch das Vorspiel neu. Wo sich sonst zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele die echten und die Möchtegernpromis im Schaulaufen auf dem roten Teppich überbieten, gab es diesmal nur autofreies Flanieren vor Absperrgittern, ein gewaltiges Polizeiaufgebot samt Mehrfachkontrollen. Gefehlt hat dieses Drumherum niemandem, obwohl die abgesagte Teilnahme der kompletten Münchner Landesregierung an der Premiere kaum das richtige Zeichen zur angespannten Lage in Bayern gewesen sein dürfte.
Der "Parsifal" selbst war von Anfang an das Sorgenkind der Festspiele. Erst wurde der vorgesehene Regisseur ausgetauscht, und der Auftrag ging von der Risiko-Personalie Jonathan Meese an den Nummersicher-Routinier Uwe Eric Laufenberg. Dann kam der Dirigent Andris Nelsons aus dem Heimatkurzurlaub nicht zurück und sorgte drei Wochen vor der Premiere für eine echte "Was nun?"-Schrecksekunde.
Dirigenten-Coup
Daraus wurde dann freilich der Coup der Produktion: Der bei Wagnerianern hoch im Kurs stehende Dresdner Hartmut Haenchen (73) übernahm und übertrug seine bewährte "Parsifal"-Lesart in den abgedeckten Graben und in das Haus, für das Wagner sein Bühnenweihfestspiel speziell komponiert hat. Mit seinen Tempovorstellungen, einem akribischen Quellenstudium und eigenem Orchestermaterial folgt er bewusst Wagners Intention und vertreibt die wallenden Weihenebel, die die Nachwelt über das Stück gelegt hat. Haenchen hat die Tücken der speziellen Festspielhausakustik nach nur wenigen Proben im Griff. Er bietet genau den schlanken, transparenten Klangzauber, der auch den großen Ton (besonders in den Verwandlungsmusiken) nicht unterschlägt.
Aus dem exzellenten Protagonistenensemble ragt trotz all der versammelten vokalen Wagnerkompetenz Georg Zeppenfeld in der Monsterpartie des Gurnemanz mit einer referenzverdächtigen Eloquenz und stimmlichen Präsenz heraus. Natürlich ist Klaus Florian Vogt ein Parsifal von betörendem Schmelz. Bei Elenea Pankratovas Kundry bedauert man, dass sie im Dritten Aufzug nichts mehr zu singen hat und hier dem Stück obendrein abhandenkommt. Als Amfortas gelingt Ryan McKinny gerade in der Leidenspose des gekreuzigten Heiland einer der auch szenisch berührenden Momente.
Musikalisch bewegt sich dieser neue "Parsifal" also zwischen grandios und mindestens festspielwürdig. Man wäre gut beraten, aus der Dirigenten-Notlösung eine "Parsifal"-Dauerlösung zu machen.