Weg mit den Religionen!

Wenn der alleinige Maßstab für eine gelungene Inszenierung die paar Sekunden Stille nach dem letzten Ton sind, in denen das Publikum in betroffenem oder auch nur verblüfftem Schweigen verharrt, dann wäre die von Laufenberg gelungen. Seine Schlusspointe sitzt nämlich. Da kommt Parsifal im aufgeklärten Zivil zurück in den arg lädierten sakralen Raum, den Gisbert Jäkel einer nahöstlichen Kirche nachempfunden hat, entsorgt das Kreuz, das er am Ende des Klingsoraktes aus dem Speer der Gralshüter gebastelt hatte, im offenen Sarg mit der Asche Titurels, und alle (wie durch ein Wunder) plötzlich versammelten Vertreter von Christen, Juden und Moslems tun es ihm mit den Insignien ihres Glaubens nach. Mit dieser großen utopischen Geste entschwinden der Raum und seine Geschichte und den Menschen geht das Licht des Grals (als Licht der Vernunft?) auf. Vielleicht ist die rätselhafte Gestalt, die die ganze Zeit von oben dem Geschehen zusah, der befreite Mensch, der in den Brunnen der Vergangenheit und auf seine Vorgeschichte schaut? (Und nicht, wie einige Witzbolde meinten, der ruhig gestellte Christian Thielemann.)

Laufenbergs für Köln entwickeltes Konzept wirkt in Bayreuth freilich im Vergleich mit den beiden Vorgängerinszenierungen als Theater etwas (zu) klein gedacht. Flüchtlinge im beschädigten Kloster, das von Soldaten in Kampfmontur (ohne Verständnis für das, was dort abgeht) geschützt wird? Das ist dringlicher gedacht, als umgesetzt. Die Videokamerafahrt durchs Kirchendach in die Google-Earth-Perspektive auf das gebeutelte Zweistromland und dann in die galaktische Unendlichkeit und zurück - das landet ästhetisch zwischen "Unendliche Weite" und Bildschirmschoner.

Parsifal im Hamam

Klingsor (Gerd Grochowski) ist der Herr über ein hübsch gekacheltes Hamam, die Blumenmädchen personifizieren Islamklischees zwischen schwarzer Vollverschleierung und Bauchtanz-Sinnlichkeit. Dass Parsifal hier baden geht, ergibt zwar Sinn, weniger, dass er die nassen Kleider anbehält, wenn ihm Kundry neue bringt. Klingsor hat eine Sammlung von Kruzifixen, vorsorglich auch einen Gebetsteppich. Wenn Parsifal den Speer wegnimmt und Klingsors Kreuzesammlung aus dem Rahmen fällt, dann hat Parsifal Glück, dass ihn ein verspätetes Kreuz nicht trifft. So etwas hätte in einer Kölner Ersatzspielstätte sicher seine Wirkung gehabt. Hier war es so unfreiwillig komisch, wie die Naturdusche in der von mutierten Pflanzen überwucherten Wüstenruine mit den nackten Mädels zum Karfreitagszauber im Hintergrund.

Vor allem das grandiose Schlussbild bewahrte den Regisseur dann wohl vor Publikumskritik. Die Wagner-Gemeinde hatten ohnedies alle Hände voll mit musikalisch berechtigtem Jubel zu tun.