Das Jahr 1607 markiert zwar nicht die Geburtsstunde der Oper, zumindest aber den Zeitpunkt, an dem die gerade erst geborene Gattung mit ihrem ersten Meisterwerk ein kräftiges Lebenszeichen von sich gab. Die musikalischen und dramatischen Möglichkeiten, die sich mit Monteverdis "L’Orfeo" auftaten, tragen in ihrem Grundtenor das Genre Musiktheater bis heute - als Reflexions- und Spiegelort der menschlichen Affekte, seiner Sehnsüchte, seinem Leiden, seiner Vergänglichkeit.

Im Programm der Salzburger Festspiele hat die Oper eine mehrfache Schlüsselstelle. Nicht nur eröffnet sie den Opernreigen von Markus Hinterhäuser würdig und bildete am Mittwoch den Auftakt zu einem dreiteiligen semiszenischen Zyklus der drei erhaltenen Monteverdi-Opern unter der Leitung von John Eliot Gardiner. Das Werk ist auch die inhaltlich stimmige Schnittstelle zwischen der Ouverture spirituelle und dem regulären Programm.

Der britische Dirigent John Eliot Gardiner beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit der Musik von Claudio Monteverdi, hat einen nach ihm benannten Chor und mit den English Baroque Soloists eines der ersten Originalklang-Ensembles gegründet. Im Jahr 2017 anlässlich des 450. Geburtstages des Komponisten hat er sich mit seinen Ensembles ganz dessen Opern-Zyklus verschrieben. Der erste Abend in der Felsenreitschule - "Ulisse" und "Poppea" folgen Ende dieser Woche - zeigte bereits, dass Gardiner auch die lebendige, vitale und substanzvolle Essenz seines eigenen Lebenswerkes mit im Gepäck hat. Die beinahe kindliche Spielfreude, mit der die Musiker den mal knarrenden, mal federnden Linien begegnen, ist ebenso inspiriert wie die tief wissende und doch zurückhaltende Leichtigkeit, mit der Gardiner sie durch das Drama führt und der Musik ihren Raum gibt.

Aus der Zeit gefallen


Mit einfachen Mitteln wie schlichten Kostümen und sehr stimmungsvollem Licht hat der Dirigent mit seinem Team eine poetische wie schlüssige halbszenische Aufführung gestaltet, die optisch wie klanglich gut in die Felsenreitschule passte. Äußerlich schlicht, jedoch höchst substanzvoll, das gilt auch für die klangliche Umsetzung. Dazu hat Gardiner ein Sängerensemble, das geradezu als ideal für Monteverdis Musik gelten kann. Die Euridice/Musica von Hana Blažíková ist an lyrischer Klarheit und Anmut nicht zu überbieten, der Orfeo von Krystian Adam ist ein kraftvoller, fein gestaltender und berührender Minnesänger. Gianluca Buratto ist ein wunderbar abgründiger Herrscher der Unterwelt und auch die kleineren Partien sind mit klar geführten und doch ausdrucksstarken Solisten besetzt.

Freilich: Neue Wege oder Sichtweisen bietet Gardiners Interpretation nicht, sie ist jedoch nichts weniger als das Ergebnis eines lebenslangen Forschens und Ergründens der Musik von Claudio Monteverdi. Doch gerade diese höchst qualitätvolle, unaufgeregt zeitlose Dimension der Produktion macht ihre Aktualität, macht ihren Charme aus.

Oper

L’Orfeo

John Eliot Gardiner (Dirigat)

English Baroque Soloists

Monteverdi Choir

Felsenreitschule

Salzburger Festspiele