"Eiserne Ausdauer und klaglose Entsagung sind die zwei äußersten Pole der menschlichen Kraft", schrieb Marie von Ebner-Eschenbach einmal. In ihrer Novelle "Die Totenwacht" vereint die Protagonistin Anna diese Extreme. Während sie am Totenbett ihrer Mutter wacht, besucht sie der Nachbarbauer. Das Zwiegespräch gewährt Einblicke in das entbehrungsreiche Leben der beiden Frauen, die unter den Exzessen des Vaters gelitten haben. Hinter der lebenslangen Feindschaft der ungleichen Nachbarskinder offenbart sich zudem eine unheilvolle Verstrickung von Anziehung und Abneigung. Der 1894 entstandene Text ist von archaischer Wucht und erstaunlicher Aktualität. Im Thalhof ist unter dem Titel "Am Ende eines kleinen Dorfes" eine Dramatisierung der Novelle zu sehen. Die Wiener Regisseurin Anna Maria Krassnigg bespielt mit ihrer Theaterformation Salon 5 das Fin-de-Siècle-Hotel am Rande von Reichenau.

Im ehemaligen Ballsaal ist Lydia Hofmanns Bühne aufgebaut - etwas pittoresk mit Spinnrad, Wiege, Schafswolle. Die Fensterfront gibt den Blick frei auf das Bergpanorama. Petra Gstrein verkörpert Anna mit mitreißender Geradlinigkeit, die schnörkellosen Dialoge kommen im Tiroler Dialekt prägnant über die Bühne. Jens Ole Schmieder gelingt dies nicht rundweg und Doina Weber geistert mitunter etwas fragwürdig als verstorbene Mutter über die Bühne. Am besten ist die etwa einstündige Inszenierung immer dann, wenn sie dem Text vertraut und nicht mit etwas prätentiösen szenischen Einfällen das Geschehen überdeutlich ausbuchstabiert.

Theater

Am Ende eines kleinen Dorfes

Nach Marie von Ebner-Eschenbach

Thalhof, Reichenau

Wh. bis 3. September