Sie selbst hatten aber sicher auch viele Klicks - und bekamen in der Folge auch Vergewaltigungs- und Morddrohungen. Hätte ein Stefan Sargnagel als Autor dieselben Reaktionen hervorgerufen?

Resetarits: Es wäre untergegangen. Bei Männern regt man sich auf, wenn sie - wie vor Jahrzehnten - im Hörsaal 1 im NIG aufs Pult scheißen.

Zurück zu den Siebzigern: Was war damals besser als heute?

Lukas Resetarits stellt fest, dass er einer Generation angehört, "die nicht gelernt hat, alt zu werden". - © Stanislav Jenis
Lukas Resetarits stellt fest, dass er einer Generation angehört, "die nicht gelernt hat, alt zu werden". - © Stanislav Jenis

Resetarits: Das ist schwer zu sagen. Aber die generelle Aufbruchstimmung war sehr interessant damals. Es gab wenig Resignation und Pessimismus, eigentlich war es die verspätete Übernahme des Rock’n’Roll und des Beat und damit auch die Themenübernahme der jungen Leute. Und dann gab es einen Alten, nämlich Bruno Kreisky, der bereit war, mit seinem Team die Themen umzusetzen. Es gab einen enormen Nachholbedarf. Ich habe daheim eine Liste mit Dingen, die damals passiert sind, das sind zwei A4-Seiten. Ich habe sehr jung geheiratet und war der Vormund meiner Frau! Ich konnte bestimmen, ob sie arbeiten gehen darf, und beim Kirchenaustritt hätte ich auch die Kinder mitnehmen können. Damals hat sich wahnsinnig viel bewegt. Allein, wenn ich an die Schülerfreifahrt denke. Oder die Bücher in der Schülerlade, die waren zusammengepickt mit Nasenrammeln - und dann hat jeder seine eigenen Schulbücher bekommen. Das klingt heute wie Kleinigkeiten, aber das waren große Schritte. Da sind auch viele Leute mitgegangen, die keine Sozialdemokraten oder Linke waren, sondern einfach nur gescheit. Ich möchte dieses Feuerchen von damals ganz gern wieder entzündet sehen.

Ein Feuerchen entzünden will auch Roland Düringer in der Politik. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?

Resetarits: Kein Kommentar.

Was täten Sie, würde HC Strache im Spätherbst Bundeskanzler?

Sargnagel: Es würde mich sicher sehr motivieren, jetzt erst recht weiterzumachen.

Resetarits: Zu Strache und der FPÖ ist ganz wichtig zu sagen, dass sie sich als Rächer der Armen gebärden, aber die Führungsriege sind ganz elitäre Anwälte, Wirtschaftsleute, Steuerberater, die genau eines nicht im Sinn haben: dass der kleine Hackler eine bessere Krankenversorgung oder höheren Lohn bekommt. Man muss ihnen das, wenn sie im 10. Bezirk am Viktor-Adler-Markt auftreten, ins Gesicht rufen: "Freunde, ihr lügt!"

Gibt es für Sie eine Grenze, wie weit Satire gehen darf?

Sargnagel: Man muss immer schauen, dass man nach oben tritt und nicht nach unten.

Resetarits: Es steht einem als Kabarettist nicht zu, dass man darstellt, wie deppert die Leute "da unten" sind. Wenn ich gescheiter bin als ein anderer, darf ich das nicht gegen ihn einsetzen. Natürlich, wenn ich in meinen Programmen Milieus zeichne, kommen auch die Deppen vor. Aber wenn man das zum Thema macht und unterm Strich herauskommt: Wir sind die Gescheiten, und die "da unten" sind die Trotteln, dann ist das abzulehnen.

Sargnagel: Und es braucht natürlich Selbstironie.

Resetarits: Danke! Das Allererste bei Satire muss sein, dass man selbst die erste Zielscheibe ist. Ansonsten soll man es lieber gleich bleiben lassen.