Eine Kärntner Tracht Prügel, die will man nicht bekommen. Das ist nämlich eine, die einen "mit blauen Würsten am Arsch" hinterlässt. Diese drastische Illustration von Brutalität ereignet sich sehr früh in dem Stück, das Josef Winkler als Auftragswerk für das Burgtheater abgeliefert hat. Das passt, macht es doch die Alltäglichkeit von Gewalt im Tun und Denken in der beschriebenen Familie beziehungsweise in dem beschriebenen Milieu gleich sehr präsent.

Am Freitag feierte das Stück mit dem sperrigen Titel "Lass dich heimgeigen, Vater oder Den Tod ins Herz mir schreibe" seine Uraufführung im Kasino am Schwarzenbergplatz. Winkler hat keinen sehr theatralischen Text geschrieben, die Schauspieler und Regisseurin Alia Luque bemühen sich redlich, trotzdem Theater daraus zu machen. Wem Winklers Oeuvre bekannt ist, den wird auch der Inhalt des Stücks kaum überraschen: Zum wiederholten Mal beschäftigt er sich mit seinem Kärntner Heimatdorf Paternion und vor allem mit seiner Familie, und da vornehmlich mit seinem Vater. "Ich stocher mit Worten in deinem Grab", heißt es einmal. Anlassgeber für den Brief an diesen Vater, den dieses Stück darstellen soll, ist ein dunkles Geheimnis der Ortschaft. Denn am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde dort der Judenmassenmörder Odilo Globocnik (der sich zynisch mit seiner Effektivität brüstete: "Zwa Millionen hamma erledigt") von britischen Soldaten enttarnt, woraufhin sich Globocnik mit einer Zyankali-Kapsel selbst tötete.

Der Pfarrer verweigerte eine Bestattung am Friedhof und so wurde die Leiche auf einem von der Dorfgemeinschaft gemeinschaftlich verwalteten Feld verscharrt. Der Ekel des Sohnes darüber, dass nie darüber geredet wurde, dass jeder das Brot aus dem Getreide, das über dieser Leiche gewachsen ist, seelenruhig gegessen hat, ist der Motor dieser Anklage. Denn vom Krieg wurde ja an sich genug erzählt. Der Krieg hat sich auch in den Köpfen festgesetzt, vor allem seine menschenverachtenden Ansichten. Der Onkel hat noch die Kanzler Kreisky und Sinowatz abschätzig als Juden identifiziert, und zu den Engländern hat man beim Fußballmatch nie gehalten, weil die waren ja auch schuld, dass man den Krieg nicht gewonnen hat.

Schlagerbeschallung

Der Tod ist aber nicht nur als Kriegsverbrecher-Skelett greifbar, auch - in verschiedenen Poesiegraden - als der tatsächliche Tod der quasi neben dem Esstisch aufgebahrten Großeltern und der erwünschte Tod des kleinen Josef. Von ihm selbst erwünscht: Weil er es dem prügelnden Vater vergönnen würde, wenn der als Kindsmörder verfemt wäre.

Auf der Bühne, auf der es nur ein einziges Requisit gibt, einen Schwarzweißfernseher mit Schlagerdauerbeschallung, teilen sich fünf Schauspieler (Branko Samarovski, Leon Haller, Tino Hillebrand, Marcus Kiepe und Tobias Wolfsegger) den Text. Sie durchschneiden den Raum mit oft erratisch anmutenden Schritten auf unsichtbaren Pfaden. Ab und zu durchbricht der Bursche unter ihnen (Wolfsegger) die Monologlastigkeit mit einer Miniplaybackshow mit herrlich fliegenden Wadln zur Musik aus dem TV-Gerät. Ansonsten konzentriert sich die postdramatische Inszenierung von Alia Luque sehr auf den Text und auf die Sprache. Beides ist auch zweifellos packend - was wohl mehr an der Leistung der Schauspieler denn an der Inszenierung liegt.