London. Globe Theatre, die 1997 zu Ehren Shakespeares rekonstruierte elisabethanische Spielstätte an der Themse, hat sich zum Jahresbeginn vorgenommen, dem Theaterbetrieb im Vereinigten Königreich ein paar demokratische Anstöße zu geben. Seine neue Leiterin Michelle Terry plant nicht nur, männliche und weibliche Darsteller an den Produktionen des Globe von nun an "fifty-fifty" zu beteiligen. Terry will auch, dass Globe-Schauspieler selbst entscheiden, wer welche Rolle übernimmt und wie was inszeniert werden soll.
Schaulustige, vor allem Schulkinder, sollen außerdem künftig zu Proben zugelassen werden. Und dem verehrten Publikum will Terry die Möglichkeit verschaffen, sich kurz vor Beginn einer Aufführung je nach Stimmungslage eins von mehreren Stücken auszusuchen - auch wenn sich die betreffenden Schauspieler "vor Aufregung in die Hosen machen" würden, lacht die neue künstlerische Leiterin des Globe.
Auf welche Weise die Wahl an solchen Wahlabenden getroffen werden soll, ist noch nicht entschieden. Möglicherweise könne man ja "den Beschluss durch Handheben herbeiführen - oder durch gezieltes Werfen von Gemüse", amüsiert sich Terry. Vielleicht auch, etwas zeitgemäßer, durch entsprechendes Getweete: Wenige Minuten, bevor sich der Vorhang hebt.
Die Idee ist, dass zum Beispiel das achtköpfige Schauspieler-Ensemble des Globe, das im Sommer auf Tournee geht, drei verschiedene Dramen einstudiert, die es dann an bestimmten Abenden zur Wahl stellt. So reiße man Schranken zwischen Akteuren und Publikum, zwischen "denen und uns" ein, meint Terry. So setze man "eine neue Dynamik" in Gang.
Gleichzeitig knüpfe das Globe damit an die Produktionsbedingen vor 400 Jahren an: "Die damaligen Wanderbühnen hätten 26 Stücke parat gehabt!" Drei Dramen pro Tour sollten auch im Jahr 2018 noch zu schaffen sein, findet Terry. Zugleich will die erst vor kurzem ernannte Globe-Chefin die Mitwirkenden sehr viel stärker an Entscheidungen beteiligen als bisher.
Kein Regisseur
Bevor die Saison im April mit "Hamlet" und "Wie es euch gefällt" beginnt, sollen die jeweils zwölfköpfigen Schauspiel-Teams nebst zwei Co-Regisseuren sogar die Hauptrollen beider Dramen ganz eigenständig besetzen. Kein "über allem schwebender Regisseur" soll mehr alleinige Entscheidungsbefugnis haben. Kein Ensemblemitglied, das zu den Proben auftaucht, wird vorab wissen, welche Aufgabe ihm übertragen wird.
Auch bei der Inszenierung sollen die "actors" mehr als bisher mitreden. "Schauspieler sind erstaunliche Dramaturgen", begründet Terry ihren neuen Stil. "Die sagen dir schon, was in einem Stück funktioniert." Auf diese Weise würden Regisseure, denen oft zu viel zugemutet werde, auf sinnvolle Weise entlastet: "Hierarchien werden abgebaut. Es ist ein Prozess echten Zusammenwirkens - besonders für unser Theater, einem der demokratischsten und egalitärsten Räume, die es überhaupt gibt."