"Peer, du lügst!" So beginnt das nordische Epos des Träumers und Fantasten Peer Gynt. Mit Lügengeschichten versucht er, der Realität zu entfliehen. Henrik Ibsen hätte wohl nie gedacht, dass sein Versdrama "Peer Gynt" einmal als Ballett auf die Bühne gehievt werden wird. Den rumänischen Tänzer, Choreografen und Ballettdirektor des slowenischen Nationaltheaters in Maribor, Edward Clug, kümmert das freilich wenig. 2015 schuf er für seine Kompagnie ein abendfüllendes Ballett, das am Sonntag mit dem Wiener Staatsballett im Haus am Ring Premiere haben wird. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt er sein Konzept des Theaters ohne Worte und den psychologischen Aspekt bei seiner Arbeit mit den beiden sehr konträren Solisten.

"Wiener Zeitung":Weshalb wollten Sie gerade ein Versdrama von Ibsen zu einem Ballett verarbeiten?

Edward Clug:Das war die logische Konsequenz aus einigen Zufällen. Es begann damit, dass ich ein großes Handlungsballett realisieren wollte im Gegensatz zu den kurzen Balletten, die ich in den letzten 20 Jahren kreiert hatte. Verschiedene Theater fragten schon an. Was mir dabei in den Kopf schoss, war eben "Peer Gynt". Weshalb gerade dieses, weiß ich nicht. Vielleicht deshalb, weil es das erste Stück war, das ich 1991 beim Maribor Ballett tanzte. Viel später begann ich dann, mir erste Bewegungen zu überlegen, aber immer im Zusammenhang mit Ibsens Werk, nicht mit der Musik. Das Stück hat viele unterschiedliche Aspekte, die vom Naturalismus über das Märchen bis hin zum frühen Modernismus mit philosophischen, metaphysischen und absurden Elementen reichen. Von Anfang an wollte ich ein Theaterstück ohne Worte kreieren. Ich war von Griegs Musik überwältigt, doch weniger von seinem "Peer Gynt". Definitiv gibt es aber nicht ausreichend Musik zu einem abendfüllenden Ballett, denn es gibt nur die beiden Suiten. Griegs Musik beschreibt diese kräftigen Landschaften Ibsens, aber diese trifft nicht immer die Bedürfnisse des Stücks. Zwischen Ibsen und Grieg gab es dieses Treffen bei der Premiere in Oslo im 19. Jahrhundert, bei der Ibsen sehr unzufrieden mit der Musik war. Ich durchforstete Griegs Gesamtwerk, um das Libretto mit seiner Musik zusammenzustellen, die zu den Szenen passte, die ich im Kopf hatte. So fügte ich zwei Sätze seines wunderschönen Klavierkonzertes oder auch Streicherstücke hinzu.

Sie sprachen zuvor von einem Theaterstück ohne Worte. Wie packen Sie die Worte in Bewegung?

Wo das Wort endet, beginnt eine neue Dimension. In unserem Fall ist es der Tanz. Manchmal muss das Wort nicht mit dem ganzen Körper ausgedrückt werden, denn ich muss den Tänzer oder den Schauspieler in eine theatralische Situation bringen. Das ist eine zusätzliche Ebene meiner Arbeit: Ich führe Regie und mache nicht "nur" die Choreografie. Ich starte mit einem Konzept, entwickle Situationen, die ich dann in große Szenen weiterführe. Ich habe in "Peer Gynt" nach Stellen gesucht, in denen der Tanz seinen Platz finden kann. Das waren sozusagen die Freiräume, die den Tanz rechtfertigen. Als ich dann begann, mit den Tänzern zu arbeiten, gingen wir in die psychologische Tiefe der Charaktere. Auch wenn es Tanz ist, so ist er hier theatralisch untermauert. Die Musik ist bekannter als das Stück. Und es gibt Momente, in denen ich Schwierigkeiten hatte, auf diese "Pop-Musik" der Klassik Schritte zu finden. Aber wir fanden einen Weg.