Eugene ONeill hielt fest, dass sein Stück "Eines langen Tages Reise durch die Nacht" mit Blut und Tränen" geschrieben sei - genährt "aus altem Kummer". Über zehn Jahre lang arbeitete der Dramatiker daran: 1941 fertiggestellt, sollte es erst 25 Jahre nach seinem Tod veröffentlicht und niemals in den USA gezeigt werden Daraus wurde freilich nichts. Die Uraufführung fand 1956 statt, drei Jahre nach dem Ableben des Autors. Und "Eines langen Tages Reise durch die Nacht" schlug ein wie ein Meteorit, längst gilt es als Meisterwerk des modernen Dramas, als vielfach gespielter, autobiografisch grundierter Bühnenhit. Es ist ein Schlüsselwerk der Moderne mit der morphiumsüchtigen Heldin Mary, nebst schuldhafter Familienverstrickung.
Andrea Breth hat "Eines langen Tages Reise in die Nacht" nun am Burgtheater inszeniert. Das Stück scheint wie geschaffen für die szenischen Tiefenbohrungen der Regisseurin, die ausgesuchte Besetzung ist als Klassentreffen von Bühnengiganten arrangiert: Sven-Eric Bechtolf (Ex-Intendant der Salzburger Festspiele, seit vielen Jahren nur mehr als Regisseur tätig) feiert mit dieser Aufführung sein Bühnencomeback; er spielt James Tyrone, einen ehemals erfolgreichen, inzwischen versoffenen Tourneeschauspieler. An seiner Seite Corinna Kirchhoff, die ephemere Bühnen-Diva, als Mary Cavan Tyrone. Der ältere Sohn, James, wird von Alexander Fehling verkörpert; der bekannte Filmschauspieler gibt ein bemerkenswertes Burg-Debüt, und August Diehl spielt den jüngeren Sohn Edmund, Eugene ONeills Alter Ego, mit unglaublicher Kraft und Glaubwürdigkeit.
Untergangslust
Vieles an diesem vierstündigen Theaterabend ist überaus gelungen. Es findet schauspielerische Begegnungen statt, vor allem zwischen den Brüdern - zwischen Fehling und Diehl -, die tief zu beunruhigen vermögen. Breths Inszenierung wirkt wie so oft zeitlos, weist weit über handwerkliche Perfektion hinaus. Dennoch will das avisierte Großereignis nicht ganz gelingen.
Die weitläufige Bühne des Burgtheaters ist in nachtschwarzes Licht (Friedrich Rom) getaucht. Das Stück selbst ereignet sich aber im Laufe eines Tages: Beginnt, noch hoffnungsfroh, am frühen Morgen, geht dann bis tief in die Nacht, hinein in die existenzielle Zerstörung. Ort der Handlung ist das Sommerhaus der Familie Tyron: Bühnenbildner Martin Zehetgruber entwirft dafür einen abstrakten Bühnenraum mit schwarzen Steinbrocken, eine Endzeit-Landschaft. Die Kostüme (Francoise Clavel) sind in Schwarz-Weiß gehalten.
Durch die strikten szenischen Anordnungen verengt sich gewissermaßen auch das Nachdenkfeld. Hier wird nicht Verfall - vom letzten Hoffnungsschimmer zu zerschmetternder Hoffnungslosigkeit - nachgezeichnet; die Inszenierung macht sich ein wenig voreilig auf den Weg vom Düsteren ins Absolut-Düstere.
Dies raubt vor allem der Figur der Mary einiges an Fallhöhe. Corinna Kirchhoffs Auftritt lässt vom ersten Augenblick an keinen Zweifel daran, dass hier eine Süchtige mit fahrigen Gesten und wirren Blicken durch die Szene taumelt. Dadurch verliert die Tragödie im ersten Teil merklich an Halt, die Figuren spielen ins Leere, es fehlt an Spannung.
So richtig in Fahrt kommt die Aufführung erst nach der Pause. Der Dramentext selbst entfaltet die Wucht eines antiken Dramas. Auch auf der Bühne kommt es zum erbarmungslosen Schlagabtausch zwischen den Familienmitgliedern. Bechtolf, Fehling und Diehl schenken einander nichts: Szenen zum Nicht-Sattsehen. Endlich geht die Familie nicht nur einfach so, sondern mit monumentaler Untergangslust zugrunde.