
Eine blaue Schrift am Bühnenvorhang reizt zum Nachdenken: "Es ist was faul im Staate . . ." In Dänemark? Der neue König im Slimfit-Anzug warnt vor Völkerwanderung und Terror. Der heimgekehrte Stiefsohn sieht den Staat im Umbau, klagt über Ewig-Gestrige und Freunderlwirtschaft. Wir sind in Österreich! Im Schema von Shakespeares "Hamlet" wird die Lage vom Tage erklärt. Soll Jugendtheater unpolitisch sein? Nein, doch zur simplen parteipolitischen Polemik Abstand halten.
Thomas Birkmeir beschied sich nicht mit einer Aktualisierung im Design. Dem originalen Handlungsstrang entlang, schrieb er seinen eigenen "Hamlet". Wenig alter Text ist mit viel Neusprech durchsetzt, im gewohnten Rhythmus der Verse. Das Königspaar Claudius-Gertrude stellt sich, arrangiert vom Spindoctor Polonius, wie bei einem Pressetermin vor den Kameras vor. Ein SMS an Ophelia signiert er mit "Maschine Hamlet" (Heiner Müller lacht im Grab). Seine Mutter: bloß Spenderin einer Eizelle. Die Liebe? "Ein Cocktail von Hormonen."
Gefühls-Wechselbad
Wäre nicht Birkmeir als Regisseur dem Autor Birkmeir beigesprungen, bliebe viel Neuerungskrampf. Doch auf der Bühnenschräge, mit nichts als rasch beweglichen Vorhängen, rollt von der ersten bis zur letzten Szene Action ab: Wächter mit Kalaschnikow. Hamlet erschießt Polonius mit einem Revolver. Die Verfolgungsjagd durch einen Wald rasch bewegter Vorhänge. Güldenstern tötet Rosenkranz, der Prinz Güldenstern an der Schiffsreling mit dem Kampfmesser. Im Showdown, dem Duell mit manipulierten Chancen, muss die Regie zurück zu altmodischen Degen.
Jakob Eisenwenger, dieser wirklich junge Hamlet mit flinken blauen Augen und Sprungfederkraft, ist ein Selbsthelfer von unten; kein nobler Mythenzauber trägt ihn, der ist weggeräumt. Empfindsam, doch durchsetzungsfähig ist dieser Typ, ergebnisorientiert auf Rache aus! Ihm fehlt alle deutsche Melancholie - die freilich nur so alt ist wie die Übersetzungskunst in der Romantik von Schlegel-Tieck.
Der Geist des gemordeten Vaters erscheint als Projektion. Felicitas Franz nimmt als Königin Gefühls-Wechselbäder. Aline-Sarah Kunisch zerfließen in den Wahnsinnszenen der Ophelia die Kräfte. Jürgen Heigl, Franz Engelhardt, Okan Cömert in grauen Anzügen: Business as usual. Kaj Louis Lucke ist als Güldenstern ein Gewinn, weil er auch im Herumstehen komisch wirkt. Mit Applaus zeigen sich die erwachsenen Zuschauer freigiebiger als die Zielgruppe Jugend.