Den lustigsten Text hat die hässlichste Figur: "Ich bin total wild und ich fress alles blind", verkündet das Wildschwein. Obacht: Dieser Grobian verfügt nicht nur über einen gesegneten Appetit, sondern auch über Bärenkräfte, er stemmt auf der Bühne nämlich eine Riesenhantel. Das tapfere Schneiderlein ficht das nicht an: Es räumt mit dem Saukerl ebenso auf wie mit einem bösartigen Einhorn und dümmlichen Riesen; auch die hochnäsige Prinzessin wird am Ende zu ihm aufschauen.
Wer Witz und Schneid hat, wird mit allem fertig: Diese frohe Botschaft ist nun wieder auf der Musiktheaterbühne zu erleben. Schon 2006 hat die Wiener Taschenoper Wolfgang Mitterers "Tapferes Schneiderlein" herausgebracht, nun zeigt sie das Kinderstück mit dem Text von Helga Utz in einem neuen Regiekleid (Jevgenij Sitochin).
Das kommt mit wenig Ausstattung aus, entwickelt auf der Bühne des Wiener MuTh aber Charme. Die sieben Fliegen surren anfangs als leuchtende Requisiten herum, für den Vernichtungsstreich bekommt der Held einen Siegergürtel in Boxkampfmanier. Die Kasperliaden des Königs, ein rechter Nichtsnutz mit Wischmoppfrisur, sorgen für verlässliche Kinderlacher; die Prinzessin wiederum beweist ihre Zickigkeit in einem Barbie-Kostüm und mit schrillen Spitzentönen: Für diese Märchen-Olympia hat Mitterer am forderndsten komponiert.
Ansonsten ist er um Griffigkeit und Verständlichkeit bemüht, lässt Sänger gern auf einem Ton beharren oder sprechen, verlagert den Avantgarde-Anspruch in eine elektronische Klangkulisse aus Fiepen und Zwitschern, dazu spielt Karl Sayer hier und da Kontrabass. In Summe ein adrettes Stündchen, mit dem hell timbrierten Jakob Pejcic (Schneiderlein) und der höhensicheren Theresa Zisser (Prinzessin) im Zentrum.