Wien. Das Entwicklungslabor im landeseigenen Kulturzentrum in der Steiermark, die Performance im Burgtheater-Vestibül: ein kluges Modell für Talenteförderung. Liat Fassberg aus Israel - sie studiert in Frankfurt - gewann am Retzhof den Dramapreis 2017 mit ihrem Erstling "Etwas Kommt Mir Bekannt Vor". Die superlogistische Regie von Alia Luque und pizzelige Videotechnik von Sophie Lux entzünden am Mischpult ein Feuerwerk an Effekten. Dabei reduziert sich Liat Fassbergs dramatische Poesie zum Stichwörterkatalog für verblüffende Multimediakunst.

Der Schauspieler Tino Hillebrand, in hautfarbenem Unisex-Dress und kanarigelben Sneakers, füllt mit Sport- und Tanzschritten, mal auch zu Pop und Techno, die kleinen Flächen, die ihm die wandernden Zuschauer im Saal übrig lassen. Der Absolvent des Reinhardt-Seminars ist auch auf zwölf von der Decke hängenden Videoscreens in zwölf Maskeraden omnipräsent. Gesichter aus einer Zufallsgemeinschaft. Ihre Fernbus-Nachtfahrt wurde an einer Grenze angehalten. Das schon im Foyer von einer Trancestimme versprochene Ziel: Europa.

Kommunikationsverlust, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie

Erster Eindruck: Zwölf Standfotos. Doch es sind synchrone Videos, in denen Multimodel Hillebrand die Reisenden mit feinster Mimik beseelt. Anfangs in der Starre auf Beute lauernder oder verängstigter Tiere. Dann aber öffnen sich Münder, blinzeln Augen, wenden sich Köpfe einander zu. Jedes dieser Bildschirmgesichter ist für eine ganze Spielstunde voraufgezeichnet. Hillebrand virtuell mal zwölf bedankt sich sogar mit Verneigungen für den Applaus. Ein zu Herzen gehender Gag.

In der multikulturellen Buspartie schickt man sich Tweets und Mails hin und her und in die Clouds. Die englischen, italienischen, türkischen und hebräischen Passagen tragen Native Speakers in ihrer Muttersprache und – oft nicht gut verständlich - deutsch im Off vor. Ein Mädchen nervt mit klugen Fragen – warum ein Pass? – den Vater, ein verliebtes Paar zankt. Die Italienerin mit fettem schwarzem Haar schimpft auf Polizisten, der Deutsche auf Ausländer allgemein. Hebräische Liebespost. Die Muslima erinnert sich an eine Großvatergeschichte über ein Pogrom in Sewastopol.

Liat Fassberg liefert einen maß-, aber auch kleingeschneiderten Goodwillbeitrag zu auf den Bühnen allgegenwärtig debattierten Problemen wie Kommunikationsverlust, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Frauenunterdrückung, Ängsten und Hoffnungen von Migranten. Ihre Figuren sprechen so verkürzt wie sie Tweets schreiben. Einem Fragebogen, unter dessen Zwang sich ein Mann als homosexuell outet, leiht Peter Matic eine herzlose Bürokratenstimme. Tweets erscheinen auch im Lichtbild: "Not at all! How Privileged Are You?" Einer warnt zurecht: "Es ist unfassbar, wie schnell die Dinge verrutschen . . ." Fasse sie, wer kann.