"Weg vom Gesellschafts-Aufriss-Getöse des Theaters!" Das forderte Wolfram Lotz, Jahrgang 1981, zuletzt in seiner Hamburger Poetikvorlesung im Herbst. Über die Anmaßungen, Unarten und Irrwege auf den Bühnen darf gelacht werden. In seinem Erstling "Der Große Marsch" (2011) wird ein blauäugig die Wahrheit suchender Theaterdichter von der kritisch-dokumentarisch-politischen Bühnenpraxis buchstäblich in die Flucht geschlagen. Er heißt Lotz. Seine nervige Mutter überbringt eine letzte Botschaft des Sohnes. Alle sind frei? Alle sind Brei? Alle oder Affe? Das Adleropfer Prometheus, der Anarchist Bakunin und der Lincoln-Verschwörer Lewis Paine finden keine Antwort im hinterlassenen Kritzikratzi. Das Theater hat keine Botschaft! Hat es keine?
Der wirkliche Lotz überspitzt die Endlosdebatten über Verantwortung und Sendung mit einem witz- und widerhakenreichen "Theater der Unmöglichkeiten". Die geforderten vier Rolltreppen, im Gegenlauf wie von Escher gezeichnet, kann ihm auch das Burgtheater nicht in den Kasino-Saal stellen in seiner Koproduktion mit dem Studiengang Schauspiel der "Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien", früher deren Konservatorium. Die Regie von Martina Gredler hält die 90 Minuten dieses intellektuellen Drahtseilakts mit immer neuen Arabesken in Spannung. Die Bühne von Claudia Vallant sparsam: Laufsteg, Boxring, Kanzel. Sparsam und fantasieblütenreich die vielen Kostüme von Anna Luisa Vieregge.
Nicht stubenreine Lacher
Jungautor Lotz folgte 2011 dem Schnittmuster einer TV-Unterhaltungsshow. Superblondinen in engen Kauf-mich-Bodys moderieren die Auftritte von Promis - von linken Revolutionären, von Göttern des Kapitalismus wie Josef Ackermann, Deutsche Bank, und sogar einer Schlange mit Symbolwert.
Musikalisch eingedonnert mit ironischen Klassikerverzerrungen von Rupert Derschmidt, stellt Eva Maria Schinderle, gewiss bald im Privat-TV, herrliche Unbedarftheit dar, Theresa Hager eine am glatten Metier Verzweifelnde. Christóf Gellén brilliert schwyzerdütsch und alabamaenglisch, Lukas Weiss gefällt am besten als Prometheus aus der Wiener Gosse, Sören Kneidl als sächselnder Kann-nit-verstan. Constanza Winkler kassiert - nicht stubenreine! - Lacher, wenn sie als Arbeitgeberpräsident Hundt eins von vier Beinen hebt. Aus dem Ensemble geben Brigitta Furgler als aufsässiges Schweizerkind und Stefan Wieland als verhuschter Poet Lutz Entwicklungshilfe. Reicher junger Beifall.