Es gibt nicht viele Theater in Wien, in denen man verlässlich von Knackwurstduftschwaden umhüllt wird. Eigentlich nur eins: die Tschaunerbühne. Am Dienstag wurde die heurige Saison der Stegreif-Freiluftbühne eröffnet. Und zwar mit einer neuen Reihe, die das Genre aus dem Staub der Theatergeschichte ins Heute holen will. Die ist ganz putzig betitelt, denn während alle Welt sich überlegt, ob man besonders zukunftsträchtige Entwicklungen nun mit 4.0 oder gar 5.0 beziffert, ist man in Ottakring erstmal gemächlich bei "Tschauner 2.0." angekommen. Da eröffnete das "Hotel Tschauner", eine Herberge, von deren vier Sternenpickerln schon drei recht abgeschabt sind. Über der Rezeption hängen drei Uhren: Paris - New York - Ottakring. Ein uniformierter Mann mit herzlich lächerlichem Käppchen meldet sich am Telefon mit "Hallo, Hotel Tschauner, Portier" und alle im Publikum, die sich noch an FS1 und FS2 erinnern können, lachen jetzt. Der "Portier" (Thomas Schreiweis) ist aber gar kein solcher, sondern ein Anwalt, der der Erbin des Hotels beisteht. Das ist Drag Queen Lucy McEvil (trocken wie ein Martini und situationsunabhängig im rückenfreien Abendkleid), die sich nicht erklären kann, wie sie zu dem (Danaer-)Geschenk kommt. Ähnlich, aber umgekehrt geht es der Tochter der verstorbenen Hoteldirektorin (Eva D. als alt-stimmige Parodie einer NÖ-Politikerin), der nur die "Tschauner-Sauna" zugesprochen wurde. Auch die Köchin (Linde Prelog mit stoischer Pointensicherheit) ist irritiert, hat ihr doch die einstige Chefin beim Stelldichein im Bett versprochen, dass sie ihr die Bruchbude vermacht. Diese Köchin visiert mit einer vergifteten Knackwurst die Tochter an, die das Hotel abreißen will, um sich mit der Liegenschaft dem Vorsorgewohnbau zu widmen. Diese präparierte Wurst muss dann noch vielen anderen entrissen werden.
Würzig-vulgär
Man sieht schon: Es geht insgesamt recht turbulent zu im "Hotel Tschauner". Dazu tragen noch bei: der leidende Ehemann und "Trottiviechi" der Politikerin (Jürgen Kapaun), ihr 24-jähriger Sohn Basti (Georg Hasenzagl), der seit zwei Jahren ein eigenes Zimmer hat, die Esoterikschabracke Cheyenne (Elke) Hofer (Astrid Golda) mit Tochter Amelie (Ida Golda, talentiert an der "Schrumpfgitarre"), der mafiös wirkende Lokalkritiker Helmuth Mut (Karim Rahoma) und das würzig-vulgäre Stubenmädchen Jana (Petra Kreuzer mit falschem Akzent, der wohl nur mehr im Stegreiftheater politisch korrekt ist). Am ersten Abend hatte außerdem Eva Maria Marold einen Gastauftritt (oder Mangold, wie die meisten auf der Bühne glaubten). Im Fahrstuhl sorgt ein Mann mit Glitzerrevers für Beschallung (Florian Schäfer). Für einige Musikeinlagen, die aus manchmal neu getexteten Coverversionen vom "Gschupften Ferdl" bis zu "Sexualverkehr" bestehen, musste allerdings Musik aus der Konserve beigesteuert werden. Diese Nummern täuschten darüber hinweg, dass die Klamotte im zweiten Teil ein wenig an Dynamik verlor. Aber das kann sich ja von Abend zu Abend ändern - die Qualität der Aufführung hob sich jedenfalls von jener in neumodisch "Impro" genannten TV-Formaten deutlich ab. Und wer das nicht so sieht, dem hilft sowieso das Tschaunermenü: Knacker mit Estragonsenf und viel weißem Spritzer.