Er ist einer der Stammgäste der Viennale: Regisseur Olivier Assayas. Auch seine neueste Arbeit hat er wieder mitgebracht: Schon mit seinem Film "Carlos" hat Assayas bewiesen, wie gut er Politthriller beherrscht, in "Wasp Network" ist es erneut eine wahre Begebenheit, die es ihm angetan hat. Es ist eine ausufernde Geschichte zu kubanischen Spionen, die in den 90er Jahren in die USA ausbrachen, um von dort aus dem Castro-Regime zu schaden. Die Geschichte um mehrere Piloten, die neben ihrer Spionagetätigkeit auch noch in Drogenschmuggel verwickelt waren, folgt dem Buch von Fernando Morais, der darin von den "Miami Five" erzählt, einer Gruppe von fünf Kubanern, die als Teil eines Spionagenetzwerks 1998 verhaftet wurden. Assayas Verfilmung wirkt, als hätte er ursprünglich eine Serie vorgehabt, nun aber versucht, den umfangreichen Plot in zwei Stunden unterzubringen: rasant, aber sprunghaft.
"Wiener Zeitung": Hatten Sie wieder einmal Lust auf einen Spionage- und Politthriller?
Olivier Assayas:Ja, und speziell diese Geschichte hatte es mir angetan. Denn ich entstamme einer Generation, die stark von den Ereignissen des Kalten Krieges geprägt ist. Jetzt haben wir dazu genug Distanz, um uns damit auseinanderzusetzen, und zwar mit der nötigen Freiheit und Unbefangenheit. Die Zeitgeschichte interessiert mich dabei vor allem durch die Linse der Menschlichkeit. Wie in den Protagonisten sichtbar und spürbar wird, warum sie sich auf die Handlungen und Taten einlassen, die sie tun. Woher ihr Glaube kommt, ihre Motivation, ihre Irrtümer. Und wer die Instanzen sind, die dies beurteilen können. Die Mitspieler im Drama der Politik sind unsere Brüder, genau wie wir ihre Komplizen sind. Und ganz banal gesagt: Bei meinem letzten Film "Zwischen den Zeilen" ging es um französische Medienschaffende, die in ihren Küchen über den Niedergang von Print und die Übermacht des Digitalen schwafelten, und die Leute sagten mir, wieso ich solche langweiligen Filme drehe. Also ist "Wasp Network" so etwas wie meine Antwort darauf.
War Ihr Film "Carlos" über den venezolanischen Terroristen eine Inspiration zu "Wasp Network"?
Ich habe den Film im selben Geiste wie "Carlos" gemacht. Das bedeutet: Ich musste 100-prozentig akkurat inszenieren und meine Materie kennen, sonst hätte ich mich in Teufels Küche begeben. Wichtig ist, dass die Konflikte, die ich erzähle, wahrhaftig sind und echt. Ich nenne das ein historisches Politdrama.
Wieso sind gerade Sie als Franzose geeignet dafür, die Geschichte dieser Kubaner zu erzählen?
Das bin ich ja gar nicht. Aber es gibt da etwas, das mich immer wieder an den Start zurückbringt: Mein Interesse springt an, wenn es um Themen geht, die ich nicht verstehe oder keine Ahnung habe, wie ich sie umsetzen soll. Ich habe viele Filme gemacht, die mich genau deshalb interessiert haben. Mir ist wichtig, dass ich mich inspiriert fühle und dieselbe Energie verspüre, die ich schon als Teenager hatte, als ich jeden Tag eine neue Welt entdeckt habe. Filmemachen ist für mich niemals eine Disziplin, die abgeschlossen ist und die ihren ewig gleichen Gang geht. Filmemachen ist für mich ein Prozess, der niemals abgeschlossen ist, der die Bereitschaft ewigen Lernens voraussetzt. Ich muss mich selbst gefährden und herausfordern, und meinen Produzenten auch (lacht).
Wie sehen wir Filme in Zukunft? Was ändern Netflix, Amazon und Co.?
Viele Menschen erleben Filme noch immer zunächst auf der großen Leinwand. Es ist noch immer die günstigste, zugänglichste Form von Unterhaltung. Junge Leute lieben das Kino, es wird immer mehr ihr Medium. Klar benutzen sie auch ihre Smartphones, aber junge Leute wollen doch ausgehen mit Freunden und Filme schauen. Das war immer schon so. Was man als Trend sehr wohl bemerken kann, ist, dass die Zuschauer immer mehr Hollywood-Ware sehen wollen und immer weniger Independent-Filme. Die Independent-Filme altern mit ihrem Publikum. Und genau dieses Publikum wird mit dem Alter durchwegs bequemer und bleibt lieber zuhause.
Was bildet sich da ab? Ein gesellschaftlicher Trend?
Ja, es geht hier wahrscheinlich mehr um gesellschaftliche Veränderungen insgesamt, und wie sich auch unsere Lebensgewohnheiten verändern. Film war immer ein Medium für junge Leute. Ältere Leute sind nie große Kinogänger gewesen.
Wird sich die Art und Weise, wie wir Geschichten erzählen, verändern?
Filme sind eine Kunstform. Es gibt kurze und lange Filme, genau wie es dicke Romane und dünne Novellen gibt. Unterschiedliche Formate sind möglich und werden es auch bleiben. Es gab schon immer Serien und TV-Filme, und trotzdem gehen wir noch ins Kino. Die Beliebtheit von Netflix und Amazon zeigen mir in Wahrheit, dass es keinerlei Niedergang des Kinos gibt, sondern dass das Medium Film sich noch weiter ausbreitet, auf neue Zuschauergruppen, mit neuen Formaten und Geschichten.