"Für mich war er immer ein Held. Ein Held des Kinos, aber vor allem ein Held, der mein Vater ist", sagte Michael Douglas einmal in einem Interview mit der "Wiener Zeitung". Nun ist sein Held gestorben, im biblischen Alter von 103 Jahren, und sein Tod markiert nicht nur den Verlust eines heldenhaften Vaters für Sohn Michael und seine beiden Brüder, sondern den endgültigen Abschied von einem Hollywood, das längst nur mehr in der Erinnerung existiert. Die "Golden Age", jene Zeit, in der Hollywood das Monopol auf bombastische Unterhaltung hatte, jene Zeit, in der sich das Wort von der Traumfabrik herausbildete, sie ist mit Kirk Douglas Tod endgültig vorbei. Ein Kapitel ist abgeschlossen.
Sohn Michael musste viele Jahre gegen den übergroßen Vater ankämpfen, um es auch in Hollywood zu schaffen. Kirk, der Weltstar, war mehr Belastung als Hilfe, aber Michael Douglas schaffte es, weil sich auch die Zeiten änderten. Im "New Hollywood", in dem er als Produzent von "Einer flog über das Kuckucksnest" berühmt wurde, war für Leute wie Kirk eigentlich kein Platz mehr; er war damals, Mitte der 70er Jahre, schon eine Legende. Ein Museumsstück. Aber das muss so sein: Ins Museum kommt wirklich nur, was außergewöhnlich ist und besonders wertvoll.
Hart, aber gutherzig
Kirk Douglas war so jemand, er repräsentierte ein gewisses Männerbild, als er in den 50er Jahren seinen Durchbruch hatte; das markante Kinn mit dem Grübchen, die fordernden Rollen, allen voran jene als "Spartacus" im Jahr 1960, die ihre Anziehungskraft auch aus einem Männlichkeitsbild bezogen, das heute überholt scheint, seine Physis, gepaart mit einer durchaus öffentlichen Erregbarkeit, wenn es um Gerechtigkeit ging, all das formte ihn zum harten, aber gutherzigen Idol, zu einem, zu dem man aufschauen konnte – als Fan sowieso, und als Sohn auch, wie Michael betont. Kirk Douglas war in seiner Hoch-Zeit als Filmstar Aushängeschild für eine Nation im Aufschwung, die nach dem Krieg, in dem er ab 1941 bei der Navy diente, begann, mit ihrem Selbstbewusstsein den ganzen Globus zu beherrschen.
Und Douglas war einer der amerikanischsten Stars jener Zeit, und das, obwohl er eigentlich Russe war. Seine Eltern waren jüdische Emigranten aus Tschawussy im heutigen Weißrussland, Kirk kam am 9. Dezember 1916 in Amsterdam, New York zur Welt. Das ist es, was diese Nation groß gemacht hat: Amerikaner zu sein hatte damals wenig mit der Herkunft zu tun, sondern mit dem, was man repräsentierte. Das hat dieses Land groß gemacht, nicht die Fremdenfeindlichkeit, mit der Donald Trump Politik macht. Das schrieb ihm Kirk Douglas auch gerne ins Stammbuch, wenn er bis zuletzt unregelmäßig in Blogs der "Huffington Post" zur Politik Stellung bezog und Trump sogar indirekt mit Hitler verglich, weil man diesen auch anfangs als Clown abtat.
Perfekt fürs Monumentalkino
Zunächst verdingte sich Douglas als Show-Wrestler, und diese Kampftechniken halfen ihm später im Sandalenkino. Auf der Filmbühne ist Kirk Douglas ab 1946 in Erscheinung getreten, als er in "Die seltsame Liebe der Martha Ivers" sein Debüt an der Seite von Barbara Stanwyck gab. Es folgten eine Reihe von Film-Noir-Streifen, darunter William Wylers "Detective Story" (1951). Schnell wurden die großen Regisseure auf den Mann mit dem kantigen Gesicht aufmerksam. Er eignete sich perfekt für Western (unter anderem "The Big Trees" von 1952 oder "The Big Sky", ebenfalls 1952 unter der Regie von Howard Hawks sowie "The Bad and the Beautiful", 1953 von Vincente Minelli). Joseph L. Mankiewicz drehte mit ihm ebenso wie Billy Wilder, der ihn in "Reporter des Satans" (1951) besetzte.
Dank seiner optischen Erscheinung eignete sich Kirk Douglas auch und vor allem hervorragend für das damals aufkommende Monumentalkino; große Historienschinken, gedreht im neuen Cinemascope-Format, das ab 1953 als Kampfansage zum Fernsehen eingesetzt wurde, um das Publikum zurück in die Kinos zu bringen. Hier hat Douglas gleich mehrfach Ikonen gespielt, etwa in "Die Fahrten des Odysseus" (1954), "Die Wikinger" (1958) oder eben in "Spartacus". Überhaupt ist Douglas Karriere – oder besser: das, was als Destillat in den Köpfen der Filmwelt übrig blieb, massiv bestimmt von seiner Zusammenarbeit mit Regisseur Stanley Kubrick. Der besetzte ihn erstmals in "Wege zum Ruhm" (1957), einem Kriegsdrama, das mit Vehemenz gegen die Grausamkeit des Krieges und die Todesstrafe auftrat. Es wurde Kubricks Durchbruch als Regisseur, und "Spartacus", seine zweite Arbeit mit Douglas, zementierte beider Ruhm in einem Hollywood, das vor großen Umbrüchen stand. Beide Filme entstanden auch mit Douglas als Mit-Produzent, da er Mitte der 50er Jahre seine eigene Produktionsfirma gründete. "Spartacus" entstammte aber durchaus dem Hollywood-Studiosystem, der Einfluss von Kubrick und Douglas auf das Drehbuch war enden wollend, aber dennoch wurde es die Rolle seines Lebens. "Ich bin Spartacus", seine berühmte Dialogzeile aus dem Film, konnte man auch als Aufruf an die Arbeiterklasse lesen, mehr zusammenzuhalten gegen "die da oben".
Überhaupt ist Douglas Filmkarriere oft getrieben von politischem Aktivismus. Er setzte sich dafür ein, dass "Spartacus"-Drehbuchautor Dalton Trumbo wieder unter eigenem Namen arbeiten durfte, nachdem er während der Kommunistenhatz der 50er Jahre auf die schwarze Liste gekommen war und Berufsverbot erhalten hatte. Douglas war bis zuletzt stolz, diese Liste durchbrochen zu haben.
1960, als der Film erschien, kam Douglas sogar zur Premiere des Films nach Wien, wo damit das Gartenbau-Kino eröffnet wurde – mit einer strahlend schönen 70mm-Kopie.
Ein Stehaufmännchen
Insgesamt 85 Filme hat Douglas hinterlassen, drei Mal war er für einen Oscar nominiert, ging aber immer leer aus. Erst 1996 erhielt er einen Ehrenoscar, sein Auftritt auf der Oscar-Bühne war legendär. War Douglas doch zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach nur knapp dem Tod entkommen. 1991 überlebte er einen Hubschrauberabsturz, 1995 musste er nach einem Schlaganfall das Gehen und Sprechen völlig neu erlernen. Die Amerikaner lieben das: Ein Stehaufmännchen, das sich nicht unterkriegen lässt. Dass er aber nicht nur diese Ikone war, sondern auch als Schauspieler ernst genommen wurde, zeigte sich, als er für "Vincent van Gogh" (1956) für seine Darstellung des Malers mit Preisen überhäuft wurde, darunter auch mit dem Golden Globe. Beim Oscar blieb es bei der Nominierung. Bei den zwei Western "Posse" und "Scalawag", die Mitte der 70er entstanden, führte Douglas auch Regie, mit sich selbst in der Hauptrolle.
Viele seiner Filme haben Kultstatus, etwa der Western "Lonely are the Brave" (1962), zu dem auch Dalton Trumbo das Buch schrieb. Zwischen die zahlreichen Filme seiner Karriere schlichen sich auch später noch einige Perlen, etwa Brian de Palmas Verschwörungsthriller "Fury" (1978), John Frankenheimers Politthriller "Sieben Tage im Mai" (1964) oder Elia Kazans Drama "The Arrangement" (1969). Douglas hinterlässt also auch ein filmisches Werk, das Entdeckungen abseits des Ikonenkinos zulässt.
Sohn Michael hat via Instagram nicht nur das Werk seines Vaters gewürdigt, sondern auch sein Engagement als Mensch. "Er war ein Humanist, der für Gerechtigkeit und für eine Werthaltung kämpfte, die die Welt besser machen sollte. Aber für mich und meine Brüder Joel und Peter war er einfach nur unser Vater", schrieb Michael. Und spielt dann auch auf die schwierigen Jahre an, die beide miteinander hatten als Vater-Sohn-Gespann. "Ich möchte meine Worte beschließen mit jenem Satz, den ich ihm zum letzten Geburtstag sagte: Dad, ich liebe dich so sehr und ich bin stolz, dein Sohn zu sein." Ein versöhnliches Ende für den letzten großen Star einer lange versunkenen Ära.