Es ist eine karge georgische Landschaft, in die uns Elene Naveriani in "Wet Sand" mitnimmt: In exakt komponierten Bildern erzählt die georgische Filmemacherin mit Wohnsitz Genf von einem Dorf an der Schwarzmeerküste, in dem Homophobie und Nationalismus einen schwulen Mann in den Selbstmord getrieben haben. In dieser Dorfgemeinschaft entspinnt die Regisseurin ein leises, aber nachhallendes Gesellschaftsporträt, das derzeit im Programm des Wiener Stadtkinos zu sehen ist.

"Wiener Zeitung": Ihr Film skizziert ein Gefühl, wie es ist, wenn man sich nicht zugehörig fühlt.

Elene Naveriani: Das Gefühl, ein Außenseiter zu sein, der nirgends wirklich dazugehört, hatte ich früher selbst sehr oft. In dieser Dorfgemeinschaft liegen viele Dinge, die das Denken der Menschen beeinflussen, bloß irgendwie in der Luft - sie werden niemals ausgesprochen, das ergibt eine Stimmung, in der man sich schnell als Außenseiter fühlen kann.

Regisseurin Elene Naveriani (r.) mit Stadtkino-Leiter Norman Shetler. - © Stadtkino
Regisseurin Elene Naveriani (r.) mit Stadtkino-Leiter Norman Shetler. - © Stadtkino

Ist dieses Dorf ein Modell für die georgische Gesellschaft?

Ja, auf jeden Fall. Homophobie und Nationalismus sind in Georgien sehr stark ausgeprägt. Ich habe das auch selbst erfahren und viele meiner Freunde auch. Die Diversität in meinem Land ist in Gefahr. Ich glaube, dass das viel mit unserer Vergangenheit als Teil der ehemaligen Sowjetunion zu tun hat.

Waren diese gesellschaftlichen Entwicklungen der Ausgangspunkt für "Wet Sand"?

Ich habe mich vom täglichen Leben inspirieren lassen, von den Ereignissen und der sozialen und politischen Situation, die sich derzeit um uns herum in der Welt abspielt. Die Entstehung des Projekts und die Idee für die Geschichte stammt von meinem Bruder Sandro Naveriani, mit dem ich das Drehbuch geschrieben habe. Das Dorf, in dem wir drehten, sollte eine Art Mikrokosmos sein, und wir haben es nicht wegen seiner ländlichen Idylle ausgewählt, sondern wegen seiner sehr filmischen Natur. Diese Geschichte könnte sich überall entfalten, sogar in einer Stadt, obwohl sich solche Geschichten an kleineren Orten besser erzählen lassen, finde ich.

Ihre Bilder sind streng komponiert und scheinen sehr sorgfältig geplant. Wie entwickelten Sie den visuellen Stil von "Wet Sand"?

Viele der Schauplätze, die der Drehort bot, haben wir beibehalten und kaum verändert. Es gibt viele Häuser, die einst prachtvoll und hell waren, die aber inzwischen von der Sonne verblasst sind. Wir wollten vermitteln, was wir bei unserem Besuch im Dorf empfunden hatten, dass Dinge verschwinden. Sie verschwinden, wenn man sich nicht um sie kümmert. Daraus entstand das visuelle Konzept.

Wie ist die Situation für Homosexuelle in Georgien?

Es gibt eine queere Community, die sich durch eine bunte Vielfalt auszeichnet. Der Film formuliert auch, dass es in der Liebe ein gewisses Maß an Toleranz geben muss und dass sie nicht in von der Gesellschaft geschaffene Schubladen gezwungen werden darf. Leider macht es der aktuelle politische und religiöse Diskurs in Georgien unmöglich, den Schutz der Community zu gewährleisten. Der Staat weigert sich, unsere Rechte zu verteidigen, und lässt uns schutzlos zurück. Aber es gibt tausende von Menschen, die tagtäglich für ihre Rechte kämpfen, und wir werden bis zum Ende kämpfen. Zensur und Terror werden uns nicht aufhalten können.

Wie ist die aktuelle Situation in Georgien in Hinblick auf Putin?

Georgien könnte freilich in Gefahr sein, weil wir auch direkt an Russland grenzen. Es gibt im Land eine starke Bewegung gegen den Krieg, die Georgier sind mehrheitlich für ihren eigenen Staat. Es gibt nicht besonders viele prorussische Strömungen in der Bevölkerung.

Sie selbst leben in der Schweiz? Ist das Ihre Heimat geworden?

Das kann ich nicht sagen. Ich bin dorthin zum Studieren gegangen und danach geblieben. Aber ich habe schon sehr starke georgische Wurzeln, alle meine Filme spielen dort. Ich würde sagen: Meine wahre Heimat liegt in meinen Filmen.