Die Abgeschiedenheit gehört nicht zum Vokabular moderner Menschen, deren Leben vom Smartphone getaktet ist; umso drastischer wirken die Bilder von gleich zwei Spielfilmen bei dieser Diagonale, bei denen die Protagonisten die Strenge der Einsamkeit geradezu herbeisehnen. Beide leben auf einer Alm, hoch droben in den Bergen, abgeschnitten und also auch verlassen von der Außenwelt, karg, aber erdverbunden. In Peter Brunners "Luzifer", der 2021 bereits im Wettbewerbsprogramm von Locarno gezeigt wurde und nun als Österreich-Premiere in Graz läuft, ist der Held ein stummer, einfältiger junger Mann: Johannes (Franz Rogowski), lebt gemeinsam mit seiner Mutter Maria (Susanne Jensen) in einer provisorisch anmutenden Almhütte, es wird viel gebetet, es gibt viele tägliche Rituale und die Einöde ist keinesfalls idyllisch, eher rau und ungemütlich; dennoch ist es ein Schock, als die Zivilisation in Form von Tourismus-Begierden hier über die Ruhe hereinbricht; ein Skigebiet in dieser Stille? Das muss direkt mit dem Teufel zu tun haben, den Johannes wie nichts sonst auf der Welt fürchtet. Regisseur Brunner lädt sein "auf einem wahren Exorzismus beruhenden" Drama mit archaischen Bildern auf, die jedem Postkartenmotiv zuwiderlaufen. Symbolik und Glaube spielen hier große Rollen, aber es ist keine klassische Erzählung, die Brunner entfaltet, sondern mehr die Abstraktion davon, gespickt auch mit verstörenden Bildern.

Einen anderen erzählerischen Weg schlägt indes Adrian Goiginger ein. Der Salzburger, der 2017 die Diagonale mit "Die beste aller Welten" im Sturm eroberte, hat sich in "Märzengrund" das gleichnamige Theaterstück von Felix Mitterer zur Vorlage genommen und erzählt auch von einem Einzelgänger in den Bergen.

Im selbst gewählten Exil

Elias (Jakob Mader) verweigert sich schon als junger Mann der von den Eltern vorbestimmten Karriere als künftiger Jungbauer, der den Hof übernehmen soll. In den späten 1960er Jahren sicherlich keine leichte Rebellion, die Elias hier gegen sein ganz persönliches Matriarchat und Patriarchat führen muss. Nach einer Depression zieht er sich in eine selbst gebaute Berghütte zurück und beschließt, sein Leben lang hier oben zu bleiben. Im Alter ist Elias (nun gespielt von Johannes Krisch) aber bald gezwungen, das selbst gewählte Exil aufzugeben, weil ihn sein Körper dazu zwingt, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Abhängigkeit, die er so nie gekannt hat und die sein Konzept vom Einsiedlertum völlig durcheinanderbringt.

Goiginger besetzt erneut Verena Altenberger in einer kleinen, aber entscheidenden Rolle, und auch sein übriges Ensemble ist wunderbar stimmig, allen voran Gerti Drassl als gestrenge Mutter, der man für ihre Darstellung einen Preis wünscht. Optisch geizt "Märzengrund" dank der Kamera von Klemens Hufnagl und Paul Sprinz nicht mit den Reizen karger Bergwelten und urtümlicher Lebensweise - es sind ganz große Kinobilder, die da aufgetischt werden. Zugleich aber ist die Epik der Bilder kurzgeschlossen mit der Innenwelt eines sehnsüchtigen Protagonisten, der sich die traurige Frage stellt: Wofür habe ich gelebt? Ein Meisterstück über Vergänglichkeit und Lebenssinn.