Das, was Rabiye Kurnaz geleistet hat, ist in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Die in Bremen lebende Türkin hat sich für ihren Sohn Murat mit aller Kraft und Stimmenstärke eingesetzt, als dieser von 2002 bis August 2006 ohne Anklage im Gefangenenlager von Guantanamo einsaß. Bei einem Flug nach Deutschland wurde Murat damals verhaftet, weil man ihm zutraute, ein Terrorist zu sein. Es ist eine wahre Geschichte, die Andreas Dresen ("Halbe Treppe", "Halt auf freier Strecke") in "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" erzählt. Der Film, dessen famose Hauptdarstellerin Meltem Kaptan den Darsteller-Bären der Berlinale gewann, startet nun in den heimischen Kinos.

Murat Kurnaz’ Buch "Fünf Jahre meines Lebens: Ein Bericht aus Guantanamo" diente Regisseur Dresen als Vorbereitung auf den Film. "Ich bin dann nach Bremen gefahren und habe Murat getroffen", sagt Dresen. "Er hat mir in langen Gesprächen diese Geschichte erzählt. Es war beeindruckend, wie er völlig ohne Rachegefühle über diese Zeit sprechen konnte."

Andreas Dresen mit Meltem Kaptan. - © afp / Tochtermann
Andreas Dresen mit Meltem Kaptan. - © afp / Tochtermann

Guantanamo ist ein Horror-Ort für die Häftlinge, betont Dresen. "Die Gefangenen wissen fast gar nichts und bekommen auch nichts von den Bemühungen der Außenwelt um ihre Befreiung mit", erzählt er. Und im Fall des völlig unschuldigen Murat war es die Mutter, die die Enthaftung mit allen Mitteln erwirken wollte. "Das ging so weit, dass ihr Anwalt ihren Fall nach Washington brachte und einen Haftprüfungsantrag vor einem Bundesgericht einreichte: Murat Kurnaz gegen George W. Bush", so Dresen. "Es ist eine unglaubliche Ungerechtigkeit, was da geschehen ist. Ganz egal, aus welcher Perspektive man es betrachtet: aus amerikanischer, aus türkischer, nicht zuletzt aber auch aus deutscher Perspektive. Es ist ein Politikversagen auf unterschiedlichsten Ebenen. Und wenn man sich dann klarmacht, dass es Guantanamo heute noch gibt, dass da immer noch 39 Menschen einsitzen, von 1.500 GIs bewacht - das ist das teuerste Gefängnis der Welt."

Hartnäckigkeit ist Trumpf

Ohne Rabiye Kurnaz wäre ihr Sohn vielleicht immer noch in Guantanamo. "Das ist eine wunderbare Frau, die den Kampf aufgenommen hat gegen die großen politischen Verhältnisse, gegen die Mühlen der Justiz, und die sich in jahrelanger Hartnäckigkeit durchgesetzt hat", sagt Dresen. "Und glauben Sie mir: Frau Murnaz ist wirklich so, wie ich sie im Film zeige." Weil Dresen seine Hauptfigur so zeigt, wie sie ist, spendiert er dem Film damit ein großes Maß an Humor. Das braucht es auch bei einem solchen Thema, findet der Regisseur: "Beim Blick in die TV-Nachrichten graut es einem täglich, so unlösbar wirken die Probleme, der Welt. Umso wichtiger ist es, den Humor zu bewahren. Er ist eine beinahe anarchische Waffe gegen die Wut und Verzweiflung über die Weltlage. Er macht uns erst zu echten Menschen."