Mit der schwarzen Komödie "Triangle of Sadness" gewann der Schwede Ruben Östlund am Samstag Abend in Cannes seine bereits zweite Goldene Palme. Das ist erst neun Regisseuren gelungen, darunter zuletzt Michael Haneke im Jahr 2012. Bereis 2017 war Östlund für seinen letzten Spielfilm "The Square" damit ausgezeichnet worden. "Triangle of Sadness" ist plakatives, zugespitztes Kino in Form einer scharfen Satire auf das Mode-Business. Im Mittelpunkt steht ein berühmtes Model-Paar, das zu einer Luxuskreuzfahrt für die Ultrareichen eingeladen wird. Als die Yacht nach einem Angriff von Piraten sinkt, können sich nur eine Handvoll Gäste und Crewmitglieder auf eine einsame Insel retten. Die Rollen der Überlebenden kehren sich plötzlich ins Gegenteil. Eine der Rollen ist übrigens mit Sunnyi Melles besetzt. "Unser Ziel war, einen unterhaltsamen Film zu machen, über den man danach auch spricht. Er sollte unser Publikum erfreuen und fordern. Das ist die große Magie des Kinos", sagte Östlund bei der Preisverleihung.

Der Grand Prix ist der "zweite Preis" des Festivals, und er wurde ex aequo vergeben: Javier Bardem überreichte ihn an Lukas Dhont für "Close" und "Stars at Noon" für Claire Denis. Denis erzählt eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Nicaragua-Krieges in den 1980er Jahren. "Ich freue mich, dass ich für einen Film ausgezeichnet werde, der im Kino zu sehen sein wird. Ich finde, dass es nicht gut ist, Filme auf dem Sofa zu sehen, denn sie gehören auf die große Leinwand. Dort liegen die Wurzeln des Kinos". 

Claire Denis musste sich ihren Grand Jury-Preis, den ihr hier Javier Bardem überreicht, mit Lukas Dhont ("Close") teilen. 
- © afp Valery Hache

Claire Denis musste sich ihren Grand Jury-Preis, den ihr hier Javier Bardem überreicht, mit Lukas Dhont ("Close") teilen.

- © afp Valery Hache

Lukas Dhont dankte seiner Mutter für ihre Prägung, die sie ihm gab: "Du hast mir das Kino schmackhaft gemacht", sagte er. "Close" erzählt von zwei 13-jährigen Teenagern, die beste Freunde sind, sich mit dem Beginn der Pubertät aber zusehends voneinander entfernen. Ein rührender Film. 

Zu den wichtigsten Auszeichnungen in Cannes zählt auch der Preis für die beste Regie. In diesem Jahr würdigte die Jury unter ihrem Präsidenten Vincent Lindon den Koreaner Park Chan-Wook für seinen hinreißenden Film "Decisions to Leave", der bereits der Liebling der Filmkritiker gewesen war. "Wir haben die Pandemie überwunden", sagte Park Chan-Wook in Cannes, "und ich hoffe, dass die Menschen jetzt wieder in die Kinos kommen". 

Die Brüder Jean-Pierre (links) und Luc Dardenne (ganz rechts) - mit ihren Darstellern aus "Tori et Lokita" - erhielten einen Spezialpreis zum 75. Filmfestival in Cannes. 
- © Katharina Sartena

Die Brüder Jean-Pierre (links) und Luc Dardenne (ganz rechts) - mit ihren Darstellern aus "Tori et Lokita" - erhielten einen Spezialpreis zum 75. Filmfestival in Cannes.

- © Katharina Sartena

Zum 75. Filmfestival von Cannes wurde ein Spezialpreis zum Jubiläum verliehen, den Carole Bouquet überreichte, und zwar an die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne für ihren Film "Tori et Lokita". Der Sonderpreis ist einmalig und gilt als besondere Auszeichnung für die belgischen Regie-Brüder, die bereits zwei Mal die Palme gewonnen haben.

Regisseur Park Chan-Wook (Mitte, zusammen mit seinen Darstellern) erhielt den Preis als bester Regisseur für "Decisions to Leave". 
- © Katharina Sartena

Regisseur Park Chan-Wook (Mitte, zusammen mit seinen Darstellern) erhielt den Preis als bester Regisseur für "Decisions to Leave".

- © Katharina Sartena

Als beste Schauspielerin wurde Sahra Amir Ebrahimi für ihre Rolle in dem Drama "Holy Spider" ausgezeichnet. Die 41-jährige Iranerin spielt darin eine Journalistin, die brutale Frauenmorde aufklären will. Er basiert auf einem realen Fall (die "Wiener Zeitung" berichtete) - und wäre im Iran wohl verboten. "Dieser Film handelt von Frauen, von ihren Körpern, von Sex, also von allem, was man im Iran nicht zeigen kann", sagte Ebrahimi. Sie spielte damit auf ihren eigenen Werdegang an: Als sie im Iran 2006 als TV-Darstellerin in einer Soap begann, wurde ein Sex-Video mit ihr und ihrem Freund im Internet öffentlich, was dazu führte, dass sie nicht nur ihren Job verlor, sondern auch Berufsverbot bekam. Ebrahimi dementierte damals zwar, die Frau in dem Video zu sein, doch erst im Exil in Frankreich konnte sie wieder Fuß fassen. "Holy Spider" von Ali Abassi ist keine iranische Produktion, sondern entstand mit Geldern aus Dänemark, Schweden, Deutschland und Frankreich. "In meinem Leben gab es viel Erniedrigung, Einsamkeit und Dunkelheit", sagte Ebrahimi, "aber das Kino hat mich immer am Leben gehalten. Und es wird wieder Leben retten".

Sahra Amir Ebrahimi (mit Guillaume Canet) wurde als beste Schauspielerin ausgezeichnet. In ihrer Heimat Iran findet sie keine Arbeit mehr, seit 2006 ein Sex-Video mit ihr und ihrem Freund im Internet aufgetaucht war. 
- © Valery Hache AFP

Sahra Amir Ebrahimi (mit Guillaume Canet) wurde als beste Schauspielerin ausgezeichnet. In ihrer Heimat Iran findet sie keine Arbeit mehr, seit 2006 ein Sex-Video mit ihr und ihrem Freund im Internet aufgetaucht war.

- © Valery Hache AFP

Bei den Herren ging der Schauspielerpreis an Song Kang Ho, der im Film "Broker" von Kore-eda Hirokazu einen Menschen-Händler mit Herz spielt, der in der Babyklappe abgegebene Kinder an wohlhabende Paare zu verkaufen versucht (mehr dazu hier). Der Jury-Preis ging ex aequo an "EO" von Jerzy Skolimowski und an "Le Otto Montagne" von Charlotte Vandermeersch und Felix van Groeningen. Als bestes Drehbuch wurde "Boys From Heaven" von Tarek Saleh ausgezeichnet. Der Ägypter erzählt darin von einem jungen Islam-Studenten, der zum Spielball der Macht wird (mehr dazu hier).

Die 75. Filmfestspiele von Cannes waren erstmals seit Ausbruch der Pandemie wieder in üblicher Weise abgehalten worden und fanden unter großem medialen Interesse statt.