Der Goldene Löwe des Filmfestivals Venedig geht an den Dokumentarfilm "All the Beauty and the Bloodshed" der US-amerikanischen Regisseurin Laura Poitras über die Fotografin Nan Goldin. Das gab die Jury am Samstagabend bekannt. Die Darstellerpreise gingen an Cate Blanchett und Colin Farrell. Der Große Preis der Jury ging an die Französin Alice Diop für "Saint Omer". Jafar Panahi wurde mit dem Spezialpreis der Jury geehrt. Zwei Preise gab es auch für österreichische Filme.
Die 58-jährige Poitras ist für "Citizenfour" bekannt, ein oscarprämierter Dokumentarfilm über den Whistleblower Edward Snowden. Poitras ist seit 1949 die siebente Frau, die den Goldenen Löwen gewinnt. "All the Beauty and the Bloodshed" erzählt von Goldins Leben, ihrem künstlerischen Schaffen und ihrem Kampf gegen die Familie Sackler, die für die Vermarktung des abhängig machenden Medikaments Oxycontin und Kultursponsoring bekannt ist. Goldin war selbst abhängig davon und organisierte Proteste gegen das Medikament und seine Vermarktung, die der Film aufgreift. Goldin wurde mit intim wirkenden Fotografien berühmt, die Themen wie Sexualität, Krankheit, Begierde oder Gewalt behandeln. "Ich danke der Jury beim Filmfestival Venedig dafür, dass sie mit dem Preis für meinen Film besonders die Stellung des Dokumentarfilms hervorgehoben hat", sagte Poitras bei der Preisverleihung. "Und außerdem sollten wir alle etwas unternehmen, um die Freilassung von Jafar Panahi zu erwirken", so Poitras.

Jafar Panahi, im Iran inhaftiert, erhielt den Spezialpreis der Jury.
- © La Biennale di VeneziaPanahi, der im Iran in Haft sitzt, gewann für seinen Film "No Bears" den Spezialpreis der Jury. Panahi war im Juli im Iran festgenommen worden: Bereits seit 2010 hing die sechsjährige Haftstrafe wie ein Damoklesschwert über ihm, nachdem man ihn wegen Propaganda gegen das Regime verurteilt hatte. Der mehrfach ausgezeichnete Filmemacher ("Taxi Teheran") hatte in der Vergangenheit trotz Arbeitsverbot im Iran und Ausreisesperre mehrere Filme gedreht.

Festivalchef Alberto Barbera mit Alice Diop, die für "Saint Omer" den Großen Preis der Jury erhielt.
- © Katharina SartenaIn "No Bears" spielt der 62-jährige Panahi sich selbst. Seit kurzem hält er sich im Film in einem kleinen iranischen Dorf in Grenznähe auf, sein Land darf er wegen einer Ausreisesperre nicht verlassen. Aus der Ferne dreht er via Videoschalte gemeinsam mit einem Team in der Türkei einen Film über ein Paar, das den Iran verlassen will. Neben dieser Geschichte, die weiter erzählt wird, geht es auch um die Geschehnisse im Dorf, dessen Bewohner Panahi seit kurzem ist. 2012 hatte Panahi gemeinsam mit der iranischen Menschenrechtlerin Nasrin Sotoudeh den Sacharow-Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlamentes erhalten.

Colin Farrell spielt die Hauptrolle in "The Banshees of Inisherin" und wurde zum besten Darsteller gekürt.
- © Katharina SartenaDen Silbernen Löwen für die beste Regie erhielt der italienische Regisseur Luca Guadagnino für den Film "Bones and All", in dem Timothée Chalamet als Kannibale durch die USA zieht, um seine Opfer zu verspeisen. Der Preis für die beste Schauspielerin ging an Cate Blanchett für ihre Rolle in "Tár" (Regie: Todd Field). Darin spielt die 53-Jährige die fiktive erste Chefdirigentin der Berliner Philharmoniker namens Lydia Tár. Sie hat alles erreicht, was man als Dirigentin schaffen kann. Um sich in der patriarchalen Klassikwelt zu behaupten, hat sie eine spröde Kompromisslosigkeit entwickelt. Doch dann gerät ihr Leben wegen Missbrauchsvorwürfen aus dem Ruder. Blanchett brilliert in der Rolle einer Frau, die meist kühl wirkt. Es sei denn, sie verbringt Zeit mit der Tochter ihrer Partnerin Sharon (Nina Hoss) - oder steht am Dirigentenpult.

Martin McDonagh erhielt den Drehbuchpreis für "The Banshees of Inisherin".
- © katharina SartenaColin Farrell erhielt für "The Banshees of Inisherin" den Preis als bester Schauspieler. Der 46-Jährige spielt in der schwarzen Komödie "The Banshees of Inisherin" (Regie: Martin McDonagh, der auch den Preis für das beste Drehbuch erhielt) den Iren Pádraic, dessen bis dato bester Freund Colm plötzlich und ohne Grund beschließt, ihre Freundschaft zu beenden. Völlig irritiert versucht Pádraic, die Freundschaft wieder aufleben zu lassen, und akzeptiert das Nein seines ehemaligen Freundes nicht. Dieser greift daraufhin zu drastischen Mitteln. Ein launiger Film, ganz famos gespielt und in pointierter Weise inszeniert.
Für einen österreichischen Film gab es bereits am Freitagabend einen Preis: "Eismayer" (die "Wiener Zeitung" berichtete), das Spielfilmdebüt von David Wagner, erhielt den Preis für den Besten Spielfilm in der Settimana Internazionale della critica, der "Kritikerwoche". Am Samstag folgten dann Auszeichnungen für die italienische Schauspielerin Vera Gemma und das Regie-Duo Tizza Covi und Rainer Frimmel. In der Reihe "Orizzonti" gewann sie den Preis als beste Schauspielerin für ihre Protagonistenrolle im Film "Vera" (die "Wiener Zeitung" berichtete) sowie den Preis für die beste Regie. Die 79. Filmfestspiele am Lido von Venedig waren also auch aus österreichischer Sicht höchst erfolgreich. Für die beiden prämierten Filme beginnt nun eine Rundreise bei zahlreichen weiteren internationalen Festivals, bevor sie in die heimischen Kinos kommen.