Ein "grantiger alter Sack", der nach schweren Schicksalsschlägen den Suizid plant, erwacht durch den Einfluss neuer Nachbarn und neuer Aufgaben noch einmal zu blühendem Leben. Das ist der Kern der Tragikomödie "Ein Mann namens Otto", die der große Tom Hanks dazu nutzt, dem Fundus seiner unvergesslichen Filme und Figuren - von "Forrest Gump" bis zum Aids-Drama "Philadelphia" - ein weiteres Schmuckstück hinzuzufügen.

"Ein Mann namens Otto" ist der seltene Fall eines Films, bei dem das US-Remake bedeutend besser gelungen ist als das europäische Original (der Roman von Fredrik Backman und die schwedische Verfilmung wurden unter dem Titel "Ein Mann namens Ove" zum Hit). Regisseur Marc Forster und Drehbuchautor David Magee ("Schiffbruch mit Tiger") haben der Geschichte des lebensüberdrüssigen alten Mannes, der auf verschlungenen Wegen ins Leben zurückfindet, viel Bitterkeit und Schärfe genommen. Das macht die Story vielschichtiger und facettenreicher, wovon wiederum Tom Hanks profitiert. Der Star trägt mit subtilem Spiel und seinem auch im Grant unnachahmlichen Charme den kompletten Film auf seinen Schultern - und macht ihn zum melancholischen Vergnügen.

Keifen mit Falschparkern, zetern im Baumarkt

Zu Beginn ist dieses Vergnügen noch schwer zu erahnen. Man begleitet Tom Hanks, der wie ein grimmiger Hausmeister durch seine Wohnsiedlung streift. Mal passt ihm was mit der Mülltrennung nicht, mal keift er Falschparker an. Im Baumarkt beginnt er zu zetern, weil man ihm ein paar Zentimeter Schnur mehr verkaufen will, als er bestellt hat.

In diesen Szenen kann man nicht mit, sondern höchstens über Otto lachen. Doch das Lachen bleibt einem wenig später im Hals stecken, wenn man erfährt, dass der Alte das Seil zum Suizid benutzen will. Was gottlob scheitert.

Regisseur Marc Forster ("James Bond - Ein Quantum Trost") hält geschickt die Balance zwischen sentimentalen und humorvollen Momenten - getreulich dem Motto Walt Disneys, dass im Kino jedem Lachen eine Träne folgen muss. Man sieht Otto zum Beispiel immer wieder am Friedhof, wo er am Grab seiner an Krebs verstorbenen Frau Sonya (Rachel Keller) Wache hält. In Rückblenden erfährt man, wie eng (wenngleich nicht unbelastet) das Band zwischen den beiden war.

In Ottos Gegenwart wiederum ist es die resolute und temperamentvolle Marisol (Mariana Trevino), die mit sonnigem Humor den Umschwung einleitet. Die Mexikanerin zieht mit Mann und zwei Kindern (ein drittes ist unterwegs) in der Siedlung ein - und sie denkt gar nicht daran, um den wandelnden Griesgram einen Bogen zu machen. Im Gegenteil: Mal setzt sie Otto als Babysitter und mal als Fahrlehrer ein. Der Alte lässt sich’s gefallen und wird später, bei einem Fall von schwerem Immobilienbetrug, zum engagierten Bürgerrechtsaktivisten. Manchmal sieht man ihn sogar lächeln. Tom Hanks spielt in tausend winzigen Nuancen den Stimmungswandel seiner Figur aus. Eine meisterliche Leistung, die dem Hollywood-Granden erkennbar große Freude bereitete. Jedes Detail stimmt. Viele Beobachter hatten ihn für eine Oscar-Nominierung auf dem Zettel. Daraus wurde nichts. Schade - doch egal: Tom Hanks hat das Kino mit der schillernden Figur eines Menschenfeindes beschenkt, hinter dessen sehr rauer Schale ein seelenvoller weicher Kern darauf wartet, wiederentdeckt zu werden.