Schuld ist eigentlich Britney Spears. Oder zumindest mitschuldig. Denn sie hat in ihrem Song "Oops, I Did It Again" genau das gemacht, was schon so manchem Hollywood-Film Unsterblichkeit brachte: Sie hat ihn zitiert. Der Song dreht sich um die unerwiderte Liebe junger Verehrer, die Britney nachstellen, während sie aber mit Vorliebe deren Herzen bricht. "Oops, I did it again, I played with your heart", sang die Pop-Prinzessin damals, im Jahr 2000.
In der Bridge des Songs eröffnet ihr ein Jüngling, das "Herz des Ozeans" gefunden zu haben, also jenen blauen Diamanten, der am Ende von "Titanic" von der schwer betagten Rose an jener Stelle ins Meer geworfen wird, an der die "Titanic" 1912 gesunken war. "But I tought the old lady dropped it into the ocean in the end?", antwortet Britney. Die alte Dame in "Titanic" hat ihn doch am Ende versenkt? "Well, Baby, I went down and got it for you", antwortet der Verehrer. Ein böser Fehler, denn: Dieser Bringerdienst verschafft ihm bei Ms. Spears keinen Vorteil, im Gegenteil. Männer, die alles für die Frau tun, das will Frau Spears nicht. (Schlussfolgerungen auf ihr Privatleben und die folgenden juristischen Kämpfe muss man hier ausklammern, das würde zu weit führen.)
"Titanic" als Kapitalflop?

Was das mit dem Film "Titanic" zu tun hat? Darüber herrscht selbst bei Pop-Experten Uneinigkeit. Man hat den Film auf Musikebene verewigt, das stimmt. Verbrieft ist, dass ursprünglich Leonardo DiCaprio für die Textzeile im Song vorgesehen war, aus Termingründen aber nicht dabei sein konnte. Stattdessen sprang Komponist und Produzent Max Martin ein. Was die Referenz des damaligen Pop-Welterfolgs Spears an die von James Cameron 1997 herausgebrachte Katastrophen-Romanze aber schon zeigt, ist das Gewicht, das ein Film wie dieser erreicht hat. Der Bezug des Songs auf den Film blieb trotzdem ein Rätsel.
Vor dem Kinostart 1997 bangte das Studio um die 200 investierten Dollar-Millionen, weil zuvor noch nie ein Film so viel gekostet hat. Und die originale "Titanic" übrigens auch nicht. Erwartet wurde, dass der Film zum Kapitalflop werden würde, auch und vor allem nach den ersten Test- und Presse-Screenings. Zu viel Bombast, zu viel Romanze - die Genrekombination aus Katastrophenfilm und Liebesgeschichte war in diesen Dimensionen (drei Stunden Spielzeit und eine Gewichtung in Richtung Romanze) noch nie wirklich erprobt worden; bis heute gibt es kaum Filme, die diese Kombi erfolgreich wiederholt haben. Zugleich hatte man James Cameron, der eigentlich für technische Meisterstücke wie "Terminator 2" berühmt war, nicht zugetraut, ebenso souverän auf der Klaviatur der Tränendrüsen spielen zu können. Er konnte es.
Hinzu kam, dass "Titanic" einen Nerv der Zeit traf, der bis heute schmerzt: Die Ängste und Vorahnungen der Gesellschaft in Bezug auf Verlust, Katastrophen und Zerstörung geliebter Gewohnheiten und errungenen Lebensstils manifestierten sich ziemlich handfest in diesem Drama: Die Geschichte eines mittellosen Künstlers (DiCaprio), der an Bord der "unsinkbaren" "Titanic" die Upper-Class-Bekanntschaft (Kate Winslet) kennen- und verbotenerweise lieben lernt - das ging 1912 nicht, und das geht im Grunde bis heute nicht. James Cameron sprach immer von einer Version von "Romeo und Julia" auf einem sinkenden Schiff.
Damit hatte der kanadische Regisseur die Dramatik schon ziemlich gut umrissen; das Außergewöhnliche, das Deplatzierte, das aber dennoch nachvollziehbar und in diesem Fall auch historisch belegbar war, ist der Antrieb für dieses Vehikel von Hollywood-Kunst, die keine Patina ansetzt. "Titanic" ist in den 25 Jahren seit der Veröffentlichung gut gealtert, die visuellen Effekte - damals bahnbrechende Animationen des Schiffes und des Untergangs - sind bis heute nicht technisch überholt, nicht einmal angestaubt. Die Themen sind aktueller denn je: Kann der Mensch mit seiner Technik die Natur bezwingen? Kann er nicht. Kann die Liebe letztlich obsiegen? Kann sie wohl. Weisheiten, die man in Drehbuchseminaren gleich zu Beginn beigebracht bekommt, aber: Im Fall von "Titanic" kommt eine immense Recherche von Cameron hinzu. Er las alles zum Thema, tauchte hinab zum echten Wrack der "Titanic" und integrierte die dort gedrehten Szenen in seinen Film. Es gibt ein sehr fanatisches Element in diesem Werk - eine weitere Grundvoraussetzung, wenn ein Film die Zeit überdauern soll.
"Titanic", gepimpt
Wenn nun die renovierte Fassung von "Titanic" in einer 3D-Version in 4K und als HDR mit hoher Bildrate in die Kinos kommt, verspricht man sich, noch ein Quäntchen mehr aus dem Original herauszuholen. Dabei ging es der Klientel des Films damals wie heute eher nicht um diesen technischen Firlefanz - viel zu kraftvoll ist da die emotionale Geschichte zwischen Jack und Rose, die sich an Bord entspinnt und nur so sprühte vor Lust und Leidenschaft, vor Draufgängertum (beiderseits: Auch für Rose stand alles auf dem Spiel) und vor dem Drang nach Selbstbestimmtheit und Freiheit. Damit kriegst du jeden in den Kinosessel. Damit drückst du jeden ganz fest hinein.
Die elf Oscars für "Titanic" waren (kommerzieller) Ausdruck für die Urgewalt dieses Films, die über zwei Milliarden Dollar Einspielergebnis nicht nur, aber auch das Resultat eines geschickten Marketings; (nicht erst) seit "Titanic" wurde die Bewerbung eines Films in Zielgruppen aufgefächert, indem man für jede der Zielgruppen unterschiedliche Trailer veröffentlichte - es ist die Generalprobe des Modells "Social Media" gewesen: Perfekt für die Vorlieben des jeweiligen Publikums zugeschnittene Werbung, jeweils in der "Bubble" dieser Zielgruppe gestreut. Kann der Film "Titanic" als Vorbild für die Umsetzung einer Dramaturgie im Sinne einer breitenwirksamen Erzählung dienen, so ist das Marketing drumherum nochmals ein eigenes Musterbeispiel, von dem man sich bis heute inspirieren lassen kann.
Camerons Trumpfkarte war die Verquickung eines Spektakels mit einer menschlichen Tragödie, das machte "Titanic" so kraftvoll. Der Regisseur hatte dieses Rezept im Grunde mit "Avatar" 2009 und 2022 wiederholt - und vom Erfolg recht bekommen. Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zu "Avatar": "Titanic" erzählt eine fiktionale Geschichte vor dem Hintergrund einer realen Katastrophe. Das ist vielleicht der Schlüssel zur Gelddruckmaschine Hollywood: Dass man Geschichten reicht, die in der Realität verwurzelt sind, so wie das die Europäer seit jeher tun. Nur, dass man sie fiktional so ausgestaltet, damit sie ein breites Publikum erreichen. Die Blaupause liegt also vor den James Camerons der Zukunft. Sie brauchen nur zuzugreifen. Hollywood hat sich gerne auf der Basis von Altbewährtem stets "neu erfunden". Im Grunde ganz nach dem Motto von Britney Spears: "Oops, I Did It Again."