Kein Filmfestival der Welt kommt derzeit ohne den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus, der sich bei jeder erdenklichen Gelegenheit via Videobotschaft an das Publikum wendet, um auf den Ukraine-Krieg aufmerksam zu machen. Weil die Berlinale jedoch als das politischste aller Filmfestivals gilt, soll Selenskyj hier einen ganz besonderen Auftritt haben - weiß zumindest das Branchenblatt "Variety", das vermeldete, dass Selenskyj bei der Berlinale anwesend sein werde, vermutlich persönlich.

Einen Grund dazu hätte der ehemalige Schauspieler. Es läuft nämlich ein Film mit ihm im Programm der 73. Berlinale: In "Superpower" trifft Hollywood-Star Sean Penn auf Selenskyj, die Arbeit an der Doku hatte vor dem Krieg begonnen. Als Russland die Ukraine im Februar 2022 dann angriff, drehte man gerade in Kiew. Nach einer kurzen Unterbrechung entschied Penn, in der Ukraine zu bleiben und weiterzudrehen. Das Ergebnis will er nun in Berlin zeigen, mit seinem "Star" als Gast. "Als die Regisseure Sean Penn und Aaron Kaufman Anfang 2021 mit den Dreharbeiten zu ‚Superpower‘ begannen, schien eine großflächige Invasion der Ukraine durch Wladimir Putin eine ferne Bedrohung", heißt es vonseiten der Berlinale, wo man weiß: Der Film birgt einiges an Sprengkraft.

Aktuelle Krisen

Für Carlo Chatrian, den künstlerischen Leiter der Berlinale, ist das Einbringen von aktuellen politischen Ereignissen ein elementarer Bestandteil seiner Arbeit als Programm-Kurator: "Die Pandemie hat das Gefühl der Isolation verstärkt und bewegte Bilder haben uns dabei geholfen, miteinander und mit der Welt da draußen in Verbindung zu bleiben. Dann hat plötzlich der Krieg mit der Wucht eines Hurrikans Einzug gehalten", so Chatrian. "Doch - und wir sagen das wirklich ungern - das ist nach wie vor ein Bild. Er ist lediglich näher an uns herangerückt und wir sind deswegen betroffener, bewegter - aber wir würden nicht sagen, unsicherer. Wir besuchen immer noch Restaurants, planen unseren Urlaub, gehen ins Kino... Mehr als sonst haben die Filme, die wir im vergangenen Jahr gesehen haben, das Gewicht der Realität transportiert. Jedenfalls ist das diesjährige Programm, und das betrifft nicht nur den Wettbewerb, sondern das gesamte Festival, enger mit Filmen verbunden, die sich auf tatsächliche Ereignisse beziehen - sei es auf die jüngste Vergangenheit oder die Gegenwart."

So ist neben der Ukraine als Schwerpunkt auch der Iran ein Thema der Filmschau. Zuletzt wurden mit den Berlinale-Gewinnern Mohammed Rassulof und Jafar Panahi zwei lange in Teheran inhaftierte Regisseure freigelassen, was die Berlinale stets gefordert hatte; die generelle Lage im Iran wird aber Gegenstand zahlreicher Filme sein, die Chatrian ins Programm aufgenommen hat.

Neue und bekannte Namen

Sonst ist der Wettbewerb um den Goldenen Bären geprägt von neuen, bislang unbekannten Namen und solchen, die man als Berlinale-Stammgäste bezeichnen kann: Christian Petzold, Philippe Garrel, Margarethe von Trotta und Rolf de Heer zeigen ihre neuesten Arbeiten. Thematisch befassen sich etliche Filme mit dem Prozess des Erwachsenwerdens. So sind in den Filmen "Suzume", "20.000 especies de abejas" und "Tótem" die Protagonisten allesamt junge Mädchen, die ihren persönlichen "Coming-of-Age-Prozess" durchleben.

Die Berlinale zeigt in rund eineinhalb Wochen etwa 280 Filme, 19 davon im Wettbewerb. Dazu gehört auch die österreichische Koproduktion "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste", in der Margarethe von Trotta Vicky Krieps ("Corsage") als Kärntner Dichterinnen-Ikone inszeniert.

Außerdem sind österreichische Filme auch in etlichen Nebenreihen zu sehen: Etwa die Doku "Stams" über den Drill am Schigymnasium Stams, von wo der ÖSV seine jungen Läufer rekrutiert. Oder "The Beast in the Jungle" von Patric Chiha und "Sisi & I" von Frauke Finsterwalder.

Welche Filme am Ende im Wettbewerb etwas gewinnen, entscheidet die internationale Jury. Geführt wird das Gremium diesmal von US-Schauspielerin Kristen Stewart, die mit 32 Jahren die jüngste Jurypräsidentin in der Geschichte des Festivals sein wird.