Da trifft ein Schauspieler auf einen Schauspieler, und das Ergebnis ist: Ein Film! "Superpower" von Sean Penn sollte nämlich ein Porträt des einstigen Schauspielers und Komödianten Wolodymyr Selenskyj werden, der einmal davon fabulierte, er möchte Präsident werden. Und der dann auch Präsident wurde. Genug Stoff für Penn, daraus eine Doku zu machen, allein: Im Februar 2022, als er in Kiew an der Doku arbeitet und Selenskyj zum Interview trifft, bricht der Krieg mit Russland aus, und Penn wird sozusagen unfreiwillig zum Zeugen und Chronisten eines Weltgeschehens, mit dem selbst er nicht gerechnet hätte, wie er im Film oftmals kundtut. 

"Superpower" ist bei der Berlinale nun als Special Gala präsentiert worden, und unparteiisch ist dieser Film natürlich nicht. Penn will das System Selenskyj für seine Heimat USA aufbereiten, von der er sagt, dass der Freiheitsgedanke ganz bestimmt nicht mehr an vorderster Stelle steht. Bei Selenskyj wäre das jedoch schon der Fall. 

Szene aus "Superpower": Penn trifft Selenskyj. 
- © Berlinale

Szene aus "Superpower": Penn trifft Selenskyj.

- © Berlinale

"Die USA müssen ein gewisses Maß an Scham akzeptieren, weil sie der Ukraine nicht schneller mit Waffenlieferungen helfen", so Penn bei der Premiere in Berlin. Penn glaubt, dass der Westen es sich nicht leisten könne, dass Kiew den Krieg in der Ukraine verliert - das ist auch die Basis von "Superpower". "Wenn Sie sich vorstellen, was passiert, wenn Russland gewinnt, sind wir alle im Arsch. Einfach total im Arsch", sagte Penn.

"Er will, dass wir tot sind", sagte Selenskyj in der Begegnung mit Penn, und er bezog sich dabei auf den russischen Staatschef Wladimir Putin, wobei nicht klar ist, ob der ukrainische Präsident damit sich selbst und sein Team - oder das ganze Land - meint. "Sanktionen reichen nicht aus", fügte Selenskyj hinzu - die erste von vielen Bitten um westliche Hilfe zur Rettung seines umkämpften Landes, als das Unheil vor einem Jahr losbrach. 

Tags darauf ist Flucht angesagt, für Penn und seine Crew: Man fährt quer durchs Land, etwas ziellos - im Hinterkopf rattert es bei Penn, wie er sein Filmprojekt über den einstigen Komödianten, der zum Präsident geworden ist, wohl neu arrangieren müsste: Als eine tiefe Auseinandersetzung mit der Ukraine, als Kriegsreportage und als Pamphlet für die Erhaltung der Freiheit eines ganzen Volkes. 

"Wir haben uns in das Land verliebt, wir haben uns in die Menschen verliebt. Wir haben uns auch in diesen Idealismus verliebt", sagt Penns Co-Regisseur Aaron Kaufman. "Wir haben dort etwas gesehen, was wir in den USA vermissen". Das untermauert Penn, indem er wie ein Kriegsreporter zwischen Experten, Soldaten und Zivilisten umherschwirrt und Menschen befragt. Aber eigentlich ist er gar kein Reporter, er ist vielmehr ein Idealist und ein Aktivist, der das Unfassbare, was vor seinen Augen passiert, gerne den Menschen in der Welt verkünden will, in der Hoffnung auf mehr Einsicht und Betroffenheit. 

Seinen Titel "Superpower" hat Penn übrigens aus einer Szene von "Servant of the People" (dt. "Diener des Volkes"), jener satirischen Sitcom, in der Selenskyj einst als Schauspieler mitwirkte: Während er seinen Sohn ins Bett bringt, erklärt der fiktive Präsident, dass sein neues Amt harte Arbeit ist, weil es viele Leute gibt, die dem Land schaden wollen. "Hast du eine Superkraft?", fragt das Kind. "Natürlich", antwortet der Vater. "Dich. Und ich bekämpfe die bösen Jungs."

In ähnlicher Weise zitiert Selenskyj in seiner Antrittsrede 2019 seinen damals 6-jährigen Sohn. Die erste Reaktion des Buben nach der Wahl seines Vaters war die Frage: "Bin ich jetzt auch der Präsident?" Die Frage bejahte der frisch gewählte Präsident: "Jeder von uns ist Präsident", erklärte er in seiner Rede und betonte seinen Willen, die Menschen am Aufbau eines demokratischeren Landes zu beteiligen. Das Putin-Narrativ propagiert jedoch eine gegenteilige Auffassung: Dort ist der russischsprachige Jude Selenskyj ein Nazi, der ein Land voller Neonazis anführe.

In "Superpower" kann sich das alles wunderbar aneinander reiben; der Film entstand laut Penn ohne viel Zutun des Präsidenten, mit Ausnahme der gewährten Interviews. Dennoch ist der Film auch und vor allem ein Aufruf zur (westlichen) Hilfe. Ein letztes Gespräch mit Selenskyj in einem abgelegenen Garten enthält auch den Appell: "Wenn die Ukraine den Krieg jetzt nicht gewinnt, könnten die USA und der Westen in einen langen und teuren Kampf verwickelt werden". Kino als Drohung oder Kino als Vorahnung? 

Auf jeden Fall ein Film aus Überzeugung: "Wir haben einen voreingenommenen Film gemacht, weil das die Wahrheit ist, die wir gefunden haben", so Penn in Berlin. "Wir leben in einer seltsamen Zeit, in der dies die wichtigste humanitäre Intervention ist, die man machen kann".