Im Kino Baden herrscht Jubiläumsstimmung. Gerade hat man das Foyer neu ausgemalt und mit Film-Accessoires umgestaltet, drinnen im Saal gibt es ab sofort eine Projektion in hochauflösenden 4K. "Auch der Teppich ist neu", erzählt Betreiber Michael Göbharter beim Besuch des "Wiener Journal" in diesem Kino-Kleinod südlich von Wien. Vor zehn Jahren, am 8. März 2013, sperrte Göbharter sein kleines Lichtspielhaus auf, das sich fortan stolz "Kino Baden" nannte.
"Damals war mit dem Beethoven-Kino in Baden gerade das letzte Lichtspielhaus der Stadt geschlossen worden", erinnert sich Göbharter. "Die Stadt Baden stand ohne Kino da, da wollte ich die Initiative ergreifen." Göbharter bemühte sich um die Weiterführung des Beethoven, leider zunächst erfolglos, weil der Eigentümer andere Pläne hatte. Schließlich überlegte dieser es sich anders, den Zuschlag für einen Kinobetrieb erhielt allerdings eine Dependance eines St. Pöltener Kinos. Und Göbharter? Gebar aus der Situation heraus ein völlig eigenständiges Kino-Konzept: das Kino im Hotel.
Filme schauen wie im eigenen Wohnzimmer
Ein ehemaliger Seminarraum im Souterrain wurde in einen gemütlichen Kinosaal umfunktioniert, mit großzügiger Bestuhlung und flexiblem Nutzungskonzept. Eine Besonderheit des Kinos ist die kulinarische Komponente: "Dank der guten Kooperation mit dem Restaurant auf Haubenniveau des Hotel Herzoghof haben wir wahrscheinlich das charmanteste Filmfrühstück und das exklusivste Kinodinner südlich von Wien", sagt Göbharter, der das Kino mit viel Leidenschaft betreibt.
Ein reguläres Programm gibt es immer von Donnerstag bis Sonntag, das Kino kann aber jederzeit auch für Privatveranstaltungen gemietet werden. "Wir spielen nicht immer die neuesten Filme, die alle Kinos gleichzeitig spielen, sondern sind ein klassisches Nachspielkino. Bei uns findet man Filme, die man in den größeren Kinos gerade verpasst hat oder die gewisse Nischen bedienen", so Göbharter.
Auf dem Programm stehen viele europäische Filme, insbesondere aus Frankreich, aber auch heimische Filmkunst wird gezeigt. Im Jubiläumsmonat März sind dies etwa die herzerwärmende Komödie "Schmetterlinge im Ohr" mit Sandrine Kiberlain, das Mode-Drama "Haute Couture" mit Nathalie Baye oder "Die Küchenbrigade" über eine Haubenköchin mit Audrey Lamy. Natürlich darf als Sonderveranstaltung aber auch die Übertragung der Oscar-Verleihung am 12. März, mit einem der nominierten Filme als Vorprogramm, nicht fehlen.
Setzen auf Service
Natürlich ist das Umfeld nach drei Jahren Pandemie und empfindlich gestiegenen Preisen für Göbharter kein rosiges. Die großen Kinoketten kämpfen mit einem Besucherminus zwischen 30 und 50 Prozent, und auch das Kino Baden spürt, dass die Menschen vorerst noch zurückhaltender agieren, wenn es um Menschenansammlungen geht. Göbharter, der seine Masterthese zur Zukunft der kleinen Kinos geschrieben hat, weiß, wo die Knackpunkte liegen: "Die Zukunft liegt eindeutig im Service, die Besucher sind bereit, für gehobenen Service auch höhere Preise zu bezahlen. Besonders in dem Segment, das derzeit boomt: Wir erleben eine starke Nachfrage bei den Privatveranstaltungen", sagt Göbharter. "Dieser Bereich ist vor allem dank Mundpropaganda im Wachsen."

Eine stimmige Einrichtung macht das Kino Baden zum zweiten Wohnzimmer.
- © Katharina SartenaSo wird der Saal für private Filmvorführungen bei Geburtstagen, bei Familienfeiern oder bei Abenden mit Freunden gemietet, für 169 Euro gibt es beispielsweise einen Wunschfilm als private Vorführung für bis zu 30 Personen. Hundert Euro mehr bezahlt, wer das Kino für ein romantisches "Dinner for two" mietet – Film, Musik und 4-Gang-Menü inklusive. Ein Kindergeburtstag, mit Zauberer oder Gaming, Jause und danach Film, ist ebenso möglich wie ein privates Kinodinner oder eine Ladies Night.
"Im Prinzip sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt", sagt Göbharter, und berichtet auch von ausgefallenen Veranstaltungen, die das Kino Baden bereits ausgerichtet hat. Etwa eine Gaming-Party von Computerspiel-Nerds, die zusammen über die große Leinwand gezockt haben. Eine Herrenrunde, die dank HD-TV auf der Leinwand plus Getränkeservice einen packenden Champions-League-Abend hatte. Oder eine japanische Teemeisterin, die stündlich neues Publikum mit einer Teezeremonie beglückte. Auch Schulvorstellungen und die Nutzung als Seminarraum mit Atmosphäre werden angeboten.
Mehr als Popcorn und Nachos
Besonders im kulinarischen Bereich kommt dem Kino Baden zugute, dass man in einem Hotel mit Restaurant eingemietet ist. So gibt es beim Kinodinner vier- und fünfgängige Menüs, bei der Snack Movie Night kleine Häppchen und bei der Ladies Movie Night Snacks und Drinks. Ein Wohlfühl-Kino für die Sinne, das vor allem bei Frauen gut ankommt. Zwei Drittel der Besucher sind weiblich.
"Bei uns ist die Kundenbindung sehr hoch, wir kennen praktisch alle unsere Kunden persönlich", sagt Göbharter, der für die Zukunft seines Kinos noch zahlreiche weitere Ideen auf Lager hat. "Ich kann mir auch die Nutzung als Keller-Theater oder Variété mit Barbetrieb vorstellen", sagt er.

Kino-Leiter Göbharter und Mitarbeiterin Lara Matzinger setzen im "Kino Baden" auf persönliche und gemütliche Atmosphäre.
- © Katharina SartenaLieße sich das Konzept auch auf andere Hotels ausweiten? Immerhin ist die Idee von Kino im Hotel nicht neu, sondern führt gar zurück an die Wurzel des Kinos überhaupt. Im Erdgeschoß des legendären Hotel Scribe in Paris, das unweit der Oper liegt, fand am 28. Dezember 1895 die erste kommerzielle öffentliche Filmvorführung der Filmgeschichte statt: Damals zeigten die Brüder Lumière mit ihrem neu entwickelten Kinematographen einer begeisterten Öffentlichkeit eine Reihe kurzer Filme.
Expansion möglich
Naheliegend, dass das in Baden erfolgreich erprobte Kleinkino-Konzept möglicherweise bald Nachahmer findet. "Das Kino bietet eine Illusion, ein Hotel bietet dies ebenso", findet Göbharter. "Das macht die Kombination so ideal." Göbharter will sein Konzept künftig weiteren Hoteliers zur Umsetzung anbieten, denn: "Damit holen sich Hotels mit relativ wenig finanziellem Aufwand eine günstige Dauerkulturveranstaltung ins Haus." Göbharter glaubt daran, dass das Kinokonzept ideal zur Hotellerie passt: "Viele Wellness-Hotels hätten so eine gesellige Erweiterung im Angebot, die in Wahrheit mit nur einer Person aus dem Hotel-Team bespielbar ist", so Göbharter. Gar kein Vergleich zu dem Aufwand, den man habe, wenn man sich Kabarett- oder Musikveranstaltungen ins Haus holt.
"Das Konzept Hotelkino wäre vor allem in touristisch stark erschlossenen Gegenden ideal. Das sind meist ländliche Gebiete, in denen es schon lange keine Kinos mehr gibt oder die nächsten Lichtspielhäuser viele Autokilometer entfernt sind." Für Göbharter ist diese "Hotelkinokette", die ihm vorschwebt, auch eine Vision für den Fortbestand des Kinos im ländlichen Raum. Man darf zurecht behaupten: Das ist gar keine schlechte Idee.