Stehende Ovationen für Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber gab es am Dienstag Abend in Graz: Dort wurde die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, eröffnet. Die beiden Intendanten, die die Filmschau seit acht Jahren leiten, treten nach der diesjährigen Ausgabe ab. Ein Faktum, das beim Grazer Publikum für große Dankesbekundungen sorgte - immerhin gab es für das Duo und ihre Leitung der Diagonale branchenweit stets Bestnoten. 

Zur Eröffnung reichte man den Spielfilm "Das Tier im Dschungel" von Patric Chiha und den Kurzfilm "NYC RGB" von Viktoria Schmid. Höglinger und Schernhuber thematisierten in ihrer Eröffnungsrede auch die Spaltung der Gesellschaft: "Zweifel und Graustufen sind aus der Mode gekommen."

Die österreichische Filmlandschaft habe sich im letzten Jahr als "gesellschaftlicher Spiegel" zu erkennen gegeben, und zwar "als Mitte und nicht als das gern beschworene bessere Korrektiv", hieß es in Anspielung auf Probleme wie "(Macht)Missbrauch, #MeToo, mannigfache Unschuldsvermutungen und Beweisantritte". Man müsse darüber reden, "auch als Festival wie die Diagonale".

Für Margarethe Tiesel (2.v.r.) gab es stehende Ovationen. 
- © Katharina Sartena

Für Margarethe Tiesel (2.v.r.) gab es stehende Ovationen.

- © Katharina Sartena

Es werde aber täglich bewusst, "wie unterschiedliche Generationen genauso aneinander vorbeireden wie Leute mit unterschiedlicher Sozialisierung, kulturellen Erfahrungen oder divergierenden Ansichten. Die Zeichensysteme, die wir nutzen, um uns zu unterhalten und zu kommunizieren, sind notgedrungen Moden und dem Lauf der Zeit unterworfen. Unsere Gegenwart wird zunehmend in Nischen verhandelt. Und jede Nische, so scheint es, kommuniziert mit eigenem Vokabular und Jargon." Das berge politischen Sprengstoff, denn Orientierungslosigkeit mache die Gesellschaft komplex.,

Die Intendanz von Sebastian Höglinger (l.) und Peter Schernhuber geht nach acht Jahren zu Ende. 
- © Katharina Sartena

Die Intendanz von Sebastian Höglinger (l.) und Peter Schernhuber geht nach acht Jahren zu Ende.

- © Katharina Sartena

Es stelle sich die Frage, was wäre, "wenn die Rede von der 'Spaltung der Gesellschaft' also eigentlich Ausdruck zunehmender kommunikativer Unmündigkeit ist? Ein Hinweis, dass politischer Diskurs und der wertschätzende Austausch von Argumenten längst nicht mehr als bereichernd empfunden werden. Ein Hinweis, dass uns das Verhandeln von Widersprüchen als Essenz der Demokratie mehr und mehr abhandenkommt", so die Intendanten.

Vizekanzler Werner Kogler (l., Grüne) und Roland Teichmann, der Chef des Österreichischen Filminstituts. 
- © Katharina Sartena

Vizekanzler Werner Kogler (l., Grüne) und Roland Teichmann, der Chef des Österreichischen Filminstituts.

- © Katharina Sartena

Es sei abzusehen, dass die Zivilgesellschaft in Zukunft wieder lauter die Stimme erheben werde. "Dabei wäre fatal, sollte es nicht gelingen, nachvollziehbar zu kommunizieren oder im Flottieren der Zeichen an die Übersetzung zu denken: in der eigenen Branche, im Freundeskreis, in der Lokal- und Bundespolitik. Moralische Empörung ist zu wenig. Ansonsten entsteht ein Unbehagen, gedeihen gegenseitige Ressentiments", hieß es in der Rede. "Erlauben Sie uns also in den kommenden Tagen, viele sehnsüchtige Diagonale-Postkarten wider die Provinzialität an uns alle zu schreiben: als Plädoyer für Grautöne und Farbüberlagerungen - für Realität und Utopie."

Der Große Diagonale Schauspielpreis an Margarethe Tiesel war ein weiteres Highlight des Abends in der Grazer Helmut-List-Halle. Die Laudatio für Margarethe Tiesel hielten die Schauspielerinnen Valerie Pachner und Mijou Friesz. "Du stürzt dich mit allem, was du hast, in deine Figuren", lobten sie die Kollegin. Tiesel würde Frauen ein Gesicht geben "die gerne übersehen werden". Die Geehrte kämpfte mit den Tränen und meinte: "So peinlich, wenn Schauspieler heulen, aber man muss heulen". Sie sei "sprachlos", da sie "noch nie so viel Lob" bekommen habe. "Ich hatte Glück", meinte sie in Hinblick auf ihre Erfolge und betonte "Ich bin stolz, dass ich hier stehe". Als Preis erhielt sie ein Kunstwerk von Xenia Hausner. Das Publikum feierte nicht nur die Schauspielerin, sondern bereits vorher die beiden scheidenden Intendanten ausgiebig mit stehenden Ovationen.

Prominent besetzt war die Riege der politischen Gäste in Graz: Neben dem steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler gaben sich auch die Grünen-Kultursprecherin Eva Blimlinger und Vizekanzler Werner Kogler die Ehre.