Es ist inzwischen ein bisschen ein Trend, dass jeder Filmemacher und jede Filmemacherin, der oder die etwas auf sich hält, nun die eigene Adaption des Sisi-Mythos in Angriff nimmt; es ist auch höchst an der Zeit, die verklärte Monarchin als das zu sehen, was sie war: Eine zeitlebens Flüchtige, die ihrer Zeit in guten wie in schlechten Fragen weit voraus gewesen ist. Die guten Fragen etwa waren, dass sie sich für eine verbesserte Stellung der Frau (zumindest in ihren Kreisen) stark gemacht hat. Die weniger guten waren ihr einerseits ausschweifender, andererseits gezügelter Lebensstil, vor allem in Bezug auf ihre Vorstellung von Jugend und Schönheit, von Schlankheitswahn und Selbstoptiminerung. Insofern war Sisi ein sehr moderner Mensch, denn Selbstoptimierung gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen von Menschen, die sich heute emanzipiert und selbstbestimmt fühlen.
Auch die deutsche Regisseurin Frauke Finsterwalder hat nun ihre persönliche Sicht auf Sisi umgesetzt. Das heißt: Eigentlich geht es um Sisis direktes Umfeld, mehr als um die Kaiserin. Doch beides wird voneinander beeinflusst, weshalb man den Film über Sisis Hofdame Gräfin Irma (Sandra Hüller) auch niemals ohne ihre Chefin, Kaiserin Elisabeth (magisch: Susanne Wolff), denken kann; eine seltene Verbindung von Hauptfiguren, die auf der Leinwand vor allem wegen der Chemie zwischen den beiden ziemlich gut aufgeht.
Griechischer Schein und eiserne Disziplin
Gräfin Irma heuert jedenfalls am österreichischen Hof an, zu einer Zeit, als Sisi längst aus der Öffentlichkeit verschwunden ist, mehr oder weniger. In ihrem Refugium in Griechenland versammelt sie zahlreiche Hofdamen und adelige Frauen um sich, um hier ihre Fantasie von der Freiheit und der Distanz zum österreichischen Hof zu leben. Dazu gehören nicht nur disziplinierte Märsche und ausgedehnte Wanderungen, für die die Entourage erst einmal ausreichend Kondition braucht, was Gräfin Irma vor allem anfangs zu schaffen macht. Eine köstliche Szene zeigt Irma gleich zu Beginn beim Ausführen eines Befehls der Kaiserin, über Hindernisse im Garten zu springen, um ihre Fitness unter Beweis zu stellen.
Daneben gibt es aber auch die andere, die lasterhafte Seite in dieser Geschichte, die vor allem vom Drogenkonsum der Kaiserin dominiert wird. Denn die Einnahme von Kokain nimmt in ihrer kleinen Zufluchtswelt rasch überhand - nicht nur die Monarchin greift zu dem Muntermacher, sondern auch ihre Damen. Dazu jede Menge Diäten und - eine ganz andere Kleiderordnung als im biederen, aber fernen Wien. Klare Linien dominieren die Kleider der griechischen Kaiserinnen-Enklave. Georg Friedrich brilliert als Lebemann Erzherzog Victor, der Bruder Franz Josephs, und lässt keine noch so derbe Bemerkung aus, bis hin zu den "Hektolitern Offizierssamen", die er in seinen Gedärmen wähnt.
Das alles inszeniert Frauke Finsterwalder als leise, manchmal doch laute Komödie, in der es Absurditäten ebenso gibt wie verbotene Liebesdienste. Doch zusehends wird der Film finsterer, die Stimmung rund um die Kaiserin und in ihrer Seele düsterer. Ihr lebenslanges Streben nach Freiheit mündet schließlich in Ernüchterung und Perspektivenlosigkeit. "Sisi und Ich" schafft, woran die meisten anderen Sisi-Filme der letzten Jahre gescheitert sind: Er will den Mythos nicht zerstören und nicht brechen, er will ihn in viele Richtungen ausdehnen.