75 Romane, dazu hunderte TV- und Kinofilme mit mehr als 30 Hauptdarstellern: Der 1930 von Georges Simenon erdachte Pariser Kommissar Maigret gehört zu den meistbeschäftigten Ermittlern der Kriminal-Literatur. Die jüngste Episode nun unter dem schlichten Titel "Maigret" ins Kino zu bringen, klingt da fast anmaßend. So, als wäre erst jetzt der ultimative Maigret-Krimi entstanden. Diesen Superlativ verdient "Maigret" nicht. Gleichwohl hat Regisseur Patrice Leconte einen stimmungsvollen Kriminalfilm gedreht, in dem ein umstrittener Star in der Titelrolle zeigt, dass er unbestritten weiterhin zu Frankreichs größten Schauspielern zählt: Gerard Depardieu.
In "Maigret" wird der gewohnt schwerblütige, diesfalls aber auch schwergewichtige Kommissar zur Leiche einer unbekannten jungen Frau gerufen, die nach heftigen Stichwunden in ihrem Blute liegt. Die Story richtet es so ein, dass die Zuschauer zu Beginn mehr über den Fall wissen als die Polizei (Romanvorlage: "Maigret und die junge Tote" von 1954). Regisseur Leconte ("Ridicule") baut bei der Tätersuche geschickt Spannung auf. Doch wie so oft bei "Maigret" geht es weniger um die Frage des "Wer wars?" als vielmehr um die gesellschaftlichen und persönlichen Hintergründe der Tat.
Depardieu legt den Kommissar kunstvoll als melancholischen Menschenfreund an, der es trotz aller Empathie versteht, mit eiserner Hand zu ermitteln. Die Spur führt in eine Zwischenwelt, in der die Bourgeoisie ihre eigene (Doppel-)Moral zimmert, an der die Opfer, vornehmlich weiblich, zu zerbrechen drohen. In Summe ergibt das einen tiefgründigen, abgründigen und düster-opulent bebilderten Film, an dessen Gelingen auch die Darstellerinnen Jade Labeste und Melanie Bernier großen Anteil tragen. Sehenswert.