Die Daten sind bekannt: 1963 wird Anne-Sophie Mutter in einer Kleinstadt am Schwarzwald geboren, 1974 schafft sie es als geigendes Wunderkind ins Fernsehen, 1977 wird sie, pausbäckige 13 Jahre alt, von Herbert von Karajan entdeckt und debütiert bei den Salzburger Osterfestspielen - der Beginn einer Weltkarriere.

Doch was treibt die mittlerweile 59-Jährige, weiter rund um den Erdball zu touren? Ist es Perfektionismus, Spielfreude oder die Gewohnheit an ein riesiges Hamsterrad namens Tournee-Zirkus?

"Anne-Sophie Mutter: Vivace" müht sich 90 Minuten lang durchaus erfolgreich, die Persönlichkeit der deutschen Geigerin mit dem grazilen Ton und den glamourösen Roben auszuleuchten. Dafür bedient sich Regisseurin Sigrid Faltin auch alter TV-Berichte, filmt ihre Protagonistin aber in erster Linie im Gespräch mit Weggefährten. Diese Dialoge - etwa mit dem Pianisten Lambert Orkis, Komponist Jörg Widmann und Filmmusik-Legende John Williams - zeichnen ein vielschichtiges Bild der Virtuosin. Anne-Sophie Mutter: Das ist eine Frau mit sonniger Laune, gewinnender Tatkraft, perfekter Föhnfrisur - und nicht zuletzt einem steinharten Willen.

Der offenbart sich schon, wenn der Film mit Aufnahmen aus Tirol beginnt. Mutter begibt sich gemeinsam mit ihrem Rauhaardackel Bonnie und dem Drehteam auf eine Wanderung; der Marsch durch die Berge gerät zum entspannten Interview. Nun, jedenfalls weitgehend. Irgendwann lässt Faltin anklingen, dass sie Mutter das Recht eingeräumt hat, den Film vorab zu "kucken". Knappe Reaktion der Geigerin: "Ja, klar." Faltin daraufhin: "So klar ist das nicht." Mutter: "Für mich schon."

Schlagfertig, selbstbewusst: So ist Mutter schon 1980 von Reportern beschrieben worden. Drei Jahre zuvor hatte sie Karajan vorgespielt. Hatte der Altstar sie nervös gemacht? Nein. Direkt danach, erzählt Mutter, hat sie den Berliner Zoo besucht und den Wunsch verspürt, zu den Krokodilen ins Terrarium zu steigen, so unverwundbar habe sie sich gefühlt. Willensstärke, Witz und Wagemut: Diese Trias treibt Mutter seit jeher an.

Fokussiert blieb sie auch, als sie die Klassikwelt längst beherrschte und einen Hollywoodstar bezirzen wollte: Sie schickte John Williams so lange Weihnachtskekse, bis sich der bereit erklärt, für Mutter Musik zu schreiben und auch einige "Star Wars"-Themen für ihre Virtuosengeige zu adaptieren. Die Zusammenarbeit ließ die Kassen gehörig klingeln, nicht zuletzt in Form eines Livemitschnitts aus dem Großen Musikvereinssaal mit den Wiener Philharmonikern.

Dass Anne-Sophie Mutter außerdem ein glühender Fan von Roger Federer ist, verwundert nicht: Die Geigerin und das Tennisass haben beide eine schier schwerelose Eleganz in ihrem Spiel erreicht. Schön, dass sie sich vor laufender Kamera darüber austauscht, Parallelen ziehen. Wobei das Geplauder in Federers Haus auch einen Unterschied zutagefördert. Nämlich wie die beiden über ein Karriereende denken, das Tennisprofis mit knapp 40 ereilt, Geiger deutlich später. "Es gibt ein Leben danach, darauf freu ich mich", sagt Federer. Mutter: "Ich mich nicht!"