Er ist klein, schnauzbärtig und in seinem klassischen Arbeitsoverall stets bereit, eine lecke Wasserleitung zu stopfen. Dabei kommt er vor lauter wichtigen Missionen gar nicht zu regelmäßiger Werktätigkeit: Denn Super Mario ist vielmehr immer damit beschäftigt, rosa Prinzessinen zu retten, in grünen Rohren zu verschwinden und auf der Rennbahn den bösen Schildkrötenpanzern auszuweichen. Und den Bananenschalen! Denen muss man unbedingt ausweichen. Sonst wird das nichts mit dem Stockerlplatz.
Dieser Tage kommen gleich zwei legendäre Spieleklassiker aus den 1980ern ins Kino beziehungsweise Streaming. In "The Super Mario Bros. Movie" (ab Donnerstag im Kino) muss Mario seinen Zwist mit dem bösen Gegner Bowser ausfechten. Und bei "Tetris" wird die atemberaubende Geschichte des russischen Strategiespiels Tetris ans Licht gebracht. Eine Story, die in der Tat mit dem Ende der Sowjetunion verwoben ist und geradezu typisch für die Vorgänge dieser Zeit in Osteuropa steht.

Marios Kumpel Toad.
- © stock.adobe / zhitkovGrund genug, beiden Legenden der 1980er eine Würdigung zukommen zu lassen. Matthias Greuling setzt sich unten die sowjetische Fellmütze auf und lässt den Rubel rollen. Während wir hier gleich in Nostalgie schwimmen. Also: Taschentücher raus!
Die Wurzeln von Mario gehen auf den Anfang der 1980er zurück. Shigeru Miyamoto erfand damals die Videospielfigur für Nintendo - und der aberwitzige Handwerksmann sollte ab da ihr Maskottchen bleiben. Er ist Protagonist und namensgebender Held der erfolgreichen Videospielreihen "Super Mario", "Mario Kart" und "Mario Party". Die Spielfigur taucht - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nur in Spielen für Nintendo-Spielkonsolen auf. Mit unfassbaren mehr als 700 Millionen verkauften Mario-Spielen bilden diese das bisher erfolgreichste Computerspiel-Franchise überhaupt.

Tetris: Fallende Blöcke einpassen.
- © stock.adobe.com / BohdanUr-Mario: 16x16 Pixel
Dabei war erst einmal unklar war, wie Mario überhaupt genau aussieht. Immerhin hatte der Ur-Mario bloß 16x16 Pixel. Die Details wie Schnauzer, blaue Latzhose, rotes Hemd und rote Schirmmütze mit M-Symbol wurden erst später ausgestaltet. Erst im Arcade-Spiel "Mario Bros." von 1983 trat Mario erstmals in blauer Hose und rotem Hemd auf. Mario ist, wie ein klischeehafter Immigrant, der englischen Sprache nur bedingt mächtig. So sind seine typischen Aussprüche: "Its-a-me, Mario." Und: "Lets-a-go!" Seltsam, dass gerade das migrationskritische Japan sich für einen Helden aus dem Kreise der ungeliebten Zuwanderer entschied.

Mario und sein stets in Grün gehaltener Bruder Luigi (auch er hat eine tragende Rolle im Film) waren auf fast allen Plattformen von Nintendo vertreten. Sogar auf den hierzulande als Tric-o-tronic bekannten kleinen Handhelds mit LCD-Display mussten die beiden Italiener Päckchen weitergeben, Pflanzen schützen oder sich zum bösen Affen Donkey Kong vorkämpfen. Es ist Mario zu verdanken, dass sich der Begriff des "Endgegners" (der kritische Schlusskampf am Ende des Levels) in den alltäglichen Sprachgebrauch durchsetzte.
Yoshi, Bowser, Toad
Heute hat sich rund um Mario ein ganzes Ensemble an Figuren etabliert, alle mit illustren Namen. Da wären der grüne Drache Yoshi, der böse Bowser, Prinzessin Peach, die Gumbas und die pilzköpfigen Toads (siehe Bild). Für Details konsultieren Sie bitte Ihre Enkelkinder.
Vor allem die Gewaltfreiheit der Mario-Spiele macht Nintendo besonders beliebt für Kinder. Dabei sind diese Spiele keineswegs nur für Kinder konzipiert, im Gegenteil, der anspruchsvolle Schwierigkeitsgrad macht sie ungeeignet. Da kommen dann die älteren Kinder zum Zug, so um die 40, 50 Jahre alt. In diesem Sinne: Lets-a-go!
Tetris: Exportschlager der UdSSR
Wurde "Tetris" so ein ungeheurer Welterfolg, weil das Spiel dem Game Boy beigelegt war? Oder wurde der Game Boy ein so ungeheurer Erfolg, weil ihm das Spiel "Tetris" beigelegt war?
Genau wird sich diese Frage nach der Henne und dem Ei wohl nie klären lassen. Fakt ist: Dass "Tetris" dem Game Boy beigelegt wurde, als dieser 1989 erstmals auf den Markt kam, war keineswegs eine ausgemachte Sache. Rund um die Entstehung des Puzzle-Spiels in Russland zur Zeit der UdSSR und um die Liaison mit dem japanischen Spielekonzern Nintendo sind unglaublich viele Deals gelaufen; man hat damals die Ankunft von Nintendos erster Handheld-Konsole mit Schwarzweiß-Bild weltweit so gehypt, dass das längst eingeläutete Videospiele-Zeitalter einen Turboboost erfuhr, dass selbst K.I.T.T. vor Neid erblasst wäre. Gut, anderes Thema.
"Tetris", der Film, befasst sich nun auf Apple TV+ mit der Frage, wie es überhaupt zum Deal zwischen Nintendo und der staatlichen sowjetischen Hightech-Kolchose Elorg kam, die die Rechte an dem von ihrem Programmierer Alexey Pajitno (Nikita Efrenov) erschaffenen Spieleklassiker hielt. In der UdSSR war "Tetris" lange ein Hit in den Büros des Kreml, bevor man das Spiel verbot, weil es die Mitarbeiter von der Arbeit abhielt. Als internationale Konzerne auf den einfachen Puzzle-Hit aufmerksam wurden, begann ein Poker um die Rechte für den weltweiten Vertrieb für Videogames, Arcade-Maschinen und eben auch in der neuen Kategorie der Handhelds.
Geheime Treffen im Feindesland
Einer der gewieften Treiber dieser Deals war der in den Niederlanden geborene Computerspiele-Entwickler Henk Rogers (Taron Egerton), der alles daran setzte, einen Rechte-Deal mit Nintendo zustande zu bringen und quasi als Mittelsmann in einer hochriskanten Mission in die Sowjetunion reiste (was zu geschäftlichen Zwecken verboten war), um dort mit Elorg-Mastermind Nikolai Belikov (Oleg Stefan) zu verhandeln. Der KGB kommt Rogers jedoch rasch auf die Schliche, aber in der sich zersetzenden UdSSR sind auch bei den streng kommunismusgläubigen Agenten schon viele dabei, die sich mit West-Geld für die Zeit nach dem Zusammenbruch des Staates rüsten wollen. Da ziehen dann sogar Leute wie der britische Verleger-Tycoon Robert Maxwell (Roger Allam) mitunter den Kürzeren, weil sie zwar im Games-Match mitbieten, aber die nötigen Summen nicht flüssig haben.
Nintendo trifft ins Schwarze
Für Nintendo war der "Tetris"-Deal in doppelter Hinsicht phänomenal: Ursprünglich hätte der Game Boy nämlich zusammen mit dem damals größten Spielehit aus dem Hause Nintendo, "Super Mario Bros.", erscheinen sollen. Man entschied sich dann aber für "Tetris" als beigepackte Cartridge, weil klar wurde, dass man mit Super Mario bestenfalls die Kids erreicht hätte. Doch das war schon in den 1980ern nicht mehr die alleinige Zielgruppe bei Videospielen.
Mit "Tetris" erreichte man dank des Geschicklichkeitsanspruchs alle spieleaffinen Altersgruppen. Zweiter Triumph: "Super Mario Bros." konnte nun als separater Titel erscheinen, was die Verkaufszahlen entsprechend in die Höhe trieb.
Dass dieser Stoff nun ausgerechnet bei Apple TV+ im Streaming-Programm landet, ist auch spannend: So macht Apple Umsatz mit einer Geschichte über Nintendo, eine Firma, zu der man eigentlich in Konkurrenz steht: Die Stimmen verstummen jedenfalls nicht, dass Apple eine Spielekonsole plane, die Nintendos Switch den Garaus machen solle. Sollte man der neuen Wunderkonsole ein Spiel wie "Tetris" beilegen, wäre das durchaus im Bereich des Möglichen.