John Malkovich spricht gerne langsam und ausführlich. Und viel weniger fiebrig als er es in der Rolle des römischen Dichters Seneca tun muss, vor der Kamera von Robert Schwentke, dessen Film "Seneca" nun in den Kinos angelaufen ist. Der geschwätzige Film ist ein außergewöhnliches Kunstwerk, dem viel Exzentrik innewohnt. Gedreht in und um einen in der marokkanischen Wüste errichteten Säulenpavillon, stützt sich Seneca auf den Bericht des römischen Historikers Tacitus über den Selbstmord des großen Denkers im Jahr 65 n. Chr. Als gefeierte Instanz des öffentlichen Lebens steht Seneca damals auch auf der Gehaltsliste des jungen, aber völlig verrückten Kaisers Nero (Tom Xander). Er schreibt ihm die Reden und wirkt als Verkäufer seiner Politik. Kein Job, den man haben will. Als Nero den Versuch aufgibt, beschwichtigende Reden zu halten, und sich stattdessen rund um die Uhr der Ausschweifung hingibt, ermahnt seine Mutter Agrippina (Mary-Louise Parker) Seneca, sich auf sein Anwesen zurückzuziehen.
"Wiener Zeitung": Mr. Markovich, als Sie diesen - ich darf es so sagen: verrückten Stoff angeboten bekamen, wie schnell haben Sie zugesagt?
John Malkovich: Sehr schnell. Innerhalb von drei Tagen. Denn ich kann es nicht aushalten, wenn Entscheidungen in der Luft hängen und sie nicht getroffen werden. Aber manchmal ist das sehr schwierig, weil es Umstände gibt, die ich nicht ändern oder kontrollieren kann. Ich hatte erst gestern ein Treffen mit einem Filmproduzenten, der ein sehr schönes Drehbuch für mich hat, das ich gerne machen würde, das mir sehr gut gefällt. Aber sie wollen es unbedingt zu einer Zeit drehen, in der ich bereits für zwei andere Projekte zugesagt habe. Das ist manchmal eine Krux.

In "Seneca" erleben wir endlose Monologe, das muss eine enorme Herausforderung für einen Schauspieler sein, oder?
Es war sehr anstrengend, ja, besonders die Monologe. Aber ich beherrsche immer meinen Text, wenn ich ans Set komme, das ist für mich selbstverständlich! Und wenn es einmal mehr Text ist, so wie in "Seneca", dann macht mir das Freude, denn die Worte sind im Kino ja eher weniger geworden. Die Sprache im Kino ist roher und knapper geworden. "Seneca" ist, glaube ich, der dialogreichste Film seit vielen Jahren. Noch mehr geredet wird höchstens auf einer Theaterbühne.
Welche Passion sagt Ihnen mehr zu: Theater oder Film?
Ich habe keine Präferenz. Ich meine, natürlich, ich verdiene meinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit Filmen. Also sollte ich besser Filme machen. Man kann dabei in den meisten Fällen mehr Geld verdienen als am Theater. Was natürlich von vielen anderen Faktoren auch abhängt. Bei mir ist es zumindest so. Ich war 40 Jahre an einem Theater, da bekam ich 400 Dollar die Woche vor Steuern. Heute sind es 600, aber man wird nur bezahlt, wenn man spielt. Was also, wenn man nur in zwei Stücken pro Jahr spielt? Auch muss man das Theater wirklich wollen. Es kann sein, dass man sieben Mal die Woche auf der Bühne steht. Das ist eine viel härtere Linie. Die Grenze, ob man einen Film machen soll oder nicht, ist hingegen eher amorph. Andererseits ist es wahnsinnig schwierig, einen Film auf die Beine zu stellen. Weil es Fantasien sind, die einem Hirn entsprungen sind. Es ist fast unmöglich, einen Film zu drehen! Besonders einen Film wie diesen, aber im Allgemeinen genauso.
Robert Schwentke meinte, er habe den Part des Seneca speziell für Sie geschrieben. Wie oft ist Ihnen das schon passiert, dass man nur für Sie geschrieben hat? Natürlich bei "Being John Malkovich". Aber sonst?
Ich weiß nicht, wie oft schon jemand etwas für mich geschrieben hat. Ich würde nicht sagen, dass es viele Filme sind. "Being John Malkovich" wurde definitiv für mich geschrieben. Das ist wirklich ein großartiges Stück Schriftstellerei gewesen. Ich arbeite viel mit Musikern zusammen, mache Musiktheater, und einige dieser Stücke wurden entweder für mich oder mit mir im Hinterkopf oder in dem Wissen, dass ich sie aufführen würde, geschrieben. Es gibt sicher mehr Musik, als es Filme gibt, die für mich geschrieben wurden.
Filme wie "Seneca" werden schwieriger zu finanzieren. Ist das Kunstkino eine sterbende Gattung?
Es gibt immer weniger Filme, die so sind, das stimmt. Filmemacher wie Raul Ruiz oder Manoel de Oliveira, sie sind lange tot, ihr Kino und diese Art von Filmbusiness existiert nicht mehr.
Sie sind bekannt dafür, Ihre Profession eher nüchtern zu betrachten. Woher kommt das?
Nun ja, ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit der Schauspielerei. Das ist ein Fakt und klingt vielleicht nüchtern. Aber es ist nicht viel anders als bei einem Banker oder einem Installateur. Auch diese Leute machen den Job, um davon zu leben. Ich gehöre nicht in die Kategorie der Schauspieler, die alle zwei Jahre einen Film machen und dann 20 oder 30 Millionen Dollar Gage bekommen. Deshalb mache ich die Filme, die man mir anbietet und die ich interessant finde. Das Schauspielen ist keine große Hexerei. Es ist nicht wahnsinnig schwer. Ich lerne und arbeite sehr hart, aber das war es auch schon. Ich versuche lediglich, das umzusetzen, was im Drehbuch steht.
Wie bereiten Sie sich vor? Brauchen Sie ein Ritual?
Nein. Schauspieler sagen viel über diesen Job, aber in Wahrheit ist es nur ein Job. Ich würde Schauspielern nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken, auch nicht mir. Ich glaube nicht, dass es so ein großes Geheimnis gibt, es ist nur eine Arbeit.
Im Film ist Seneca der Berater von Kaiser Nero. Glauben Sie, es würde Politikern generell nicht schaden, wenn Sie sich von Philosophen, Schriftstellern, Künstlern beraten lassen würden?
Ich bin nicht sicher. Das ist eine ganz andere Welt. Ich meine, es gibt Politik-Berater, die sagen: "Du kannst diese Geste nicht mehr machen, weil sie weißer Rassismus ist. Ich weiß nicht, ob du das wusstest, aber jetzt weißt du es." Das ist eine Art von Lebensberatern, aber das ist alles nur für den Effekt. Daran ist nichts Tiefgründiges. Der einzige Politiker, dem mir einfällt, der tiefgründiges Wissen hatte, war Vaclav Havel. Aber der war ja eigentlich kein Politiker. Und wenn du ein Politiker bist, dann bist du in einer Welt der Macht, der Ideologie, eines ständigen, lebenslangen Wahlkampfs. Politiker beschäftigen sich nicht wirklich mit den Problemen des menschlichen Geistes im Konflikt mit sich selbst. Das ist wirklich nicht Ihr Ding. So ehrlich muss man schon sein.