Irgendwie paradox. Zwar zählt Alexandre Dumas‘ Mantel-und-Degen-Klassiker "Die drei Musketiere" zu den meistverfilmten Romanen des Abenteuer-Genres. Aber trotzdem kann es nicht schaden, vor dem Besuch des neuen Films "Die drei Musketiere: D’Artagnan" einen Blick auf die Ereignisse im Frankreich des 17. Jahrhunderts zu werfen, die dem Roman die Grundierung gaben. Das Land, angeführt von König Ludwig XIII. und seinem ersten Minister, dem Kardinal Richelieu, erlebte damals einen brüchigen Frieden. Man sorgte sich um eine Invasion aus England. Intern gab es Konflikte Richelieus mit den protestantischen Hugenotten. Mittendrin die Musketiere, die treu an der Seite des Königs standen. Wer über diese Frontstellungen nicht in groben Zügen Bescheid weiß, kann im Kino Probleme bekommen, richtig zuzuordnen, wer da auf der Leinwand gerade gegen wen kämpft, intrigiert oder Mordkomplotte schmiedet.

In Frankreich, wo die Geschichte der drei Musketiere zu den nationalen Kulturgütern gehört, mag dieses Hintergrundwissen weit verbreitet sein. Außerhalb der Grenzen, zum Beispiel hierzulande, schaut das schon anders aus. So hoch man es Regisseur Martin Bourboulon ("Eiffel in Love") anrechnen kann, dass er die historischen Zeitströmungen ins Geschehen einfließen ließ: "D’Artagnan" zählt nicht zu jenen Filmen, die für Nicht-Kenner leicht zu verstehen sind.

Kämpfer und Herzensbrecher

Der Plot der französisch-deutschen Koproduktion folgt in groben Zügen dem Roman von Alexandre Dumas. Der junge Gascogner D’Artagnan (Francois Civil) ist beseelt von dem Gedanken, von den Musketieren aufgenommen zu werden. Er wird Mitglied der Gruppe um Athos (Vincent Cassel), Aramis (Romain Duris) und Porthos (Pio Marmai). Bald geraten die Freunde in Gefahr. Unter anderem gilt es, den ränkeschmiedenden Richelieu (Eric Ruf) zu stoppen, dessen Intrigen auch Königin Anne (Vicky Krieps) bedrohen. Dass sich D’Artagnan nicht nur als Kämpfer, sondern auch als Herzensbrecher hervortut - er verliebt sich in die entzückende Constance (Lyna Khoudri), eine Vertraute der Königin - macht die Sache noch komplizierter. Und dann ist da noch die mysteriöse Milady de Winter (Eva Green), deren Geheimnisse wohl erst in der Fortsetzung "Die drei Musketiere: Milady" (ab Dezember 2023 im Kino) entschlüsselt werden.

Frühere "Musketiere"-Verfilmungen wagten den Sprung zur Action oder zur Komödie. Die aktuelle Version von Martin Bourboulon ist anders - nämlich getragen von bitterem Ernst. Der Regisseur gibt seinen Figuren und damit auch dem Publikum nur selten einen Anlass zum Lachen.

Das von Kampfszenen durchsetzte Geschehen wird nach Art eines Dramas (mit gelegentlichen Anleihen bei der Tragödie) durchgespielt. Die (attraktive) düstere Aura des Films offenbart sich schon bei der visuellen Gestaltung. Viele Szenen spielen bei Kerzenbeleuchtung in der Nacht. Während der Tageslicht-Sequenzen in der Natur liegt stets Nebel über dem Land. Die Sonne dringt nicht durch.

Was die Bildgestaltung, die Ausstattung und die Kostüme betrifft, erreicht "D’Artagnan" ein hohes Niveau, wie es im europäischen Kino nicht alltäglich ist. Man hätte sich diese Sorgfalt auch beim Drehbuch gewünscht, das arm an blitzenden Wortgefechten, doch reich an langatmigen Dialogen ist. Die guten Darsteller spulen dieses mäßig anregende Material eher routiniert als inspiriert ab. Vicky Krieps etwa, die in Marie Kreutzers Sissi-Drama "Corsage" international Furore machte, wirkt als Königin Anne wie ein Schatten ihrer selbst.