Für Brendan Fraser war es die Rolle seines Lebens, die dem Schauspieler nach Jahren der Leinwand-Absenz 2023 den Oscar als bester Hauptdarsteller bescherte: Aus dem Star aus der Blockbuster-Riege ("Steinzeit Junior", "Die Mumie") war plötzlich ein Charakterdarsteller geworden, der in Darren Aronofskys "The Whale" (ab Freitag) als 260-Kilo-Mann brilliert. In seiner Rolle geht er als Charlie dem Ende entgegen: Krank vom Übergewicht, ist er auf fremde Hilfe angewiesen, ein Streit mit seiner Tochter (Sadie Sink) eskaliert. Das auf einem Theaterstück basierende Kammerspiel ist beeindruckend gespielt. Was es für die Transformation zum Schwergewicht brauchte, erzählte Fraser bereits bei der Premiere des Films beim Filmfestival von Venedig im Vorjahr, wo Journalisten seinen Ausführungen lauschen konnten.
"Wiener Zeitung": Mr. Fraser, wie verwandelt man sich glaubhaft in einen Menschen, der durch sein Übergewicht quasi todgeweiht ist?
Brendan Fraser: Ich bin 53 Jahre alt. Ich mache das schon seit langer Zeit. Aber trotzdem kenne ich immer noch nicht die Bestandteile der Magie, die in die Leistung eines Schauspielers einfließt und die ihn ausmacht. Darüber rätsle ich immer noch. Aber es ist auch ein sehr körperlicher Prozess: Um die Rolle körperlich spielen zu können, musste Charlie von außen nach innen erschaffen werden. Er wiegt 260 Kilo, und um das zu schaffen, waren eine Menge Kostüme und Make-up nötig, um der Art, wie er sich bewegt, eine Realität und Authentizität zu verleihen. Übergewichtige Menschen wurden und werden auf der Leinwand häufig im Dienste eines einseitigen, gemeinen Witzes gezeichnet. Wir wollten allerdings das Gegenteil und setzten auf ein Porträt des Leids, das Charlie durchmachen muss. Die Applikation, die ich anhatte, wurde, einfach ausgedrückt, in einem Computermodell als Form hergestellt, um völlige Kontrolle über die Größe und die Platzierung selbst der Poren von Charlies Haut zu haben. Und dann wurden alle traditionellen Methoden der Gesichtsapplikation angewandt. Es war ein Prozess, in den man sich stundenlang hinein- und nach einer Stunde wieder herausarbeiten musste. Aber das Gefühl der Authentizität, das man hat, wenn man Charlie zuschaut, ist augenöffnend.
"The Whale" kam an einem Punkt in Ihrer Karriere, als große Blockbuster-Erfolge schon lange zurücklagen. Wie kam es zu der Rolle?
Es hieß damals, Darren Aronofsky drehe einen Film und wolle mich treffen. Meine Antwort war: Ja! Ich war aber etwas erstaunt, dass er überhaupt weiß, wer ich bin. Ich kam in seinem Büro an, und er kam sofort auf den Punkt, indem er mir sagte, dass es um einen allein lebenden Mann geht, der seit dem Tod seines Partners unglaublich traurig ist und Entscheidungen bereut, die ihn um das Sorgerecht für seine Tochter gebracht haben. Das war die Gelegenheit, eine Figur zu spielen, die auf der Suche nach Erlösung ist. Dann erzählte er mir, dass Charlie hunderte von Pfund wiegt und dass er aus gesundheitlichen Gründen sehr schnell an Herzversagen sterben könnte. Darren wollte unbedingt einen Schauspieler finden, der die Rolle körperlich ausfüllen, aber auch emotional tiefgründig spielen konnte.
Es ist eine sehr physische Rolle. Liegt Ihnen das?
Ich habe immer versucht, bei allem, was ich tue, ein physisches Ziel zu finden. Wenn es sich um einen Actionfilm handelte, stellte ich fest, dass es am besten ist, die nächste Szene zu spielen, nicht die, in der man gerade ist. Mit anderen Worten: Wenn ich in einem Film mitspiele, in dem das Ziel darin besteht, zum Auto zu kommen, führen alle Szenen, in denen ich vorher mitspiele, zu diesem Ziel. Für Charlie musste ich ans Ende des Flurs zum Badezimmer gelangen, nicht um es zu benutzen, sondern damit meine Tochter mich nicht weinen sieht.
Wie viel Persönliches steckt in der Rolle?
Charlies Körperfülle unterscheidet sich zwar von meiner eigenen, obwohl ich auch meine Gewichtsschwankungen hatte. Aber es war hilfreich, diese beiden Körper in gewisser Weise zusammenzubringen, um Charlie von einem authentischen Standpunkt aus zu gestalten und ihm so nahe zu kommen, wie es für mich möglich war.