Es ist ein bisschen die neue Realität im Kinoalltag: Selbst prestigeträchtige Filme wie "Peter Pan & Wendy" bekommen oftmals keinen regulären Kinostart mehr, sondern landen direkt auf den Streaming-Plattformen. In diesem Fall ist es Disney+, wo der Film ab Freitag regulär als Stream zu sehen ist. Immerhin: Eine Weltpremiere spendierte man der Großproduktion dann doch, im Herzen von London, mit einem Red Carpet, allen Stars und vielen Fans. Vom Kino als Ort der Magie bleibt in solchen Fällen also bloß der rote Teppich für die Fotografen über.
Das soll den Spaß am Film selbst jedoch nicht trüben. Disneys "Peter Pan & Wendy" ist nämlich dafür gemacht, die Segel nach Nimmerland zu setzen, um die klassische Geschichte für ältere und jüngere Fans neu zu erzählen. Das ist inzwischen ein Trend im Disney-Konzern. Anstatt neue Stoffe schlecht zu erfinden, kopiert man die alten mit viel Aufwand und holt sie so in die Gegenwart. Im vorliegenden Fall ist der Animationsfilm "Peter Pan" aus dem Jahr 1953 Grundlage für diese nun veröffentlichte Realverfilmung.
Im magischen Nimmerland
Die Geschichte ist Disney-Kennern daher bekannt: Die junge Wendy (Ever Anderson) verlässt ihr gut behütetes Zuhause in London eigentlich so gut wie gar nicht. Doch alles ändert sich schlagartig, als sie Bekanntschaft mit dem abenteuerlustigen Peter Pan (Alexander Molony) macht, der irgendwann einfach beschlossen hat, nicht erwachsen zu werden, und obendrein sogar fliegen kann. Peter und die kleine Fee Glöckchen (Yara Shahidi) laden Wendy und ihre Brüder Michael (Jacobi Jupe) und John (Joshua Pickering) ins magische Nimmerland ein, wo sie ein Abenteuer erwartet, mit dem sie nie gerechnet hätten. Doch kein Abenteuer ohne Gefahren, die allerorts lauern. Besonders in der Gestalt von dem Piratenkapitän Hook (Jude Law), der Peter am liebsten den Garaus machen würde.
Die zeitlose Geschichte wird von Regisseur David Lowery mit Themen aufgeladen, die die Gegenwart betreffen. Außerdem spendiert der Film seinen Figuren durchaus einiges an Charaktertiefe. Ein besonders bedeutsamer Unterschied ist die Art und Weise, wie Captain Hook dargestellt wird. Obwohl er immer noch Pans Widersacher ist, ist er alles andere als der eindimensionale Schurke in einem Film, der eigentlich klar definierte Helden haben sollte. Hook-Darsteller Jude Law formulierte es bei der Premiere in London so: "Das Besondere an dieser Version ist, dass Hook am Ende eine Reise hinter sich hat."
Neugier auf die Figuren
Diese Entwicklung war freilich ein Prozess, der mehrere Jahre gedauert hat, wie Regisseur Lowery bestätigt: "Als ich anfing, den Film zu machen, dachte ich: Lass uns einen 90-minütigen Peter-Pan-Abenteuerfilm machen, der alle wichtigen Punkte trifft und der einfach schnell und rasant ist", sagt Lowery. "Aber uns war bald klar: Wir sollten es ein bisschen langsamer angehen lassen. Wir sollten anfangen, Fragen über diese Figuren zu stellen, denn ich wurde langsam neugierig auf sie. Und das führte zu einer Menge wunderbarem neuen Material über Hook und Peter, das, als ich das erste Mal ins Studio ging und meine Version vorschlug, sicherlich nicht auf dem Tisch lag, aber es wurde in vielerlei Hinsicht zum Dreh- und Angelpunkt des gesamten Films."
Das Ergebnis ist ein neu ausgestalteter Zugang zur Rolle des Bösewichts. Für Jude Law eine willkommene Gelegenheit, am Set an der Entwicklung mitzubasteln. "Ich habe nur an Nuancen und kleinen Schrauben gedreht, aber ich finde, so ist Hook einfach vielschichtiger", sagt Law. Jemanden zu spielen, der im Körper eines 50-jährigen Mannes in dieser kindlichen Rivalität gefangen ist, der schreckliche Dinge gesehen und gelebt und getan hat, sei ein wirklich interessanter Bereich, um damit zu beginnen. "Ich wollte, dass er traurig ist, ich wollte, dass er vernarbt und knorrig und ekelhaft und furchterregend ist, aber auch lustig. Wie ein überhitzter, wütender Vater oder Onkel, der aus der Sicht eines Kindes einfach nur erbärmlich und laut ist." Am Ende von "Peter Pan & Wendy" wird klar: Auch dunkle Bösewichter haben ihre hellen Seiten. Und das ist ein versöhnlicher Aspekt, der diese Verfilmung tatsächlich in einen heute obligatorischen, tiefgründigeren und diversen Diskurs holt.