Vielleicht ist es verwegen, das zu sagen, aber: Isabelle Huppert spielt im Grunde immer dieselbe Rolle. Das schnippische, ihr Regiment führende Frauenzimmer, das gern von sich behauptet, auf der richtigen Seite zu stehen. So würde es Luc Oursel (Yvan Attal) wohl beschreiben, wäre er Regisseur und wäre Huppert seine meistgehasste Schauspielerin.

Doch Oursel ist nicht Regisseur. Er ist in "Die Gewerkschafterin" der neue Boss von Maureen Kearney (Huppert), eine leidenschaftlich für die Rechte der Arbeiter kämpfende Gewerkschafterin, die sich als echte Zicke erweist, wenn es um Kündigungen, um Benachteiligungen, um Ungerechtigkeit im Unternehmen geht. Maureen fährt dann ihre Krallen aus. So wie im Fall ihres Arbeitgebers, dem vor allem im Bereich Nukleartechnikanlagen tätigen französischen Industriekonzern Areva, der immer wieder Entlassungen plant, die Maureen unterbinden will. Jetzt aber ist Oursel zu weit gegangen: Denn er plant, das französische Know-how in der Atomtechnik an die Chinesen zu verhökern und dabei die eigenen Interessen der Areva-Gruppe zu missachten. Hinzu kommt eine politische Dimension der Geschichte: Gerade ist Nicolas Sarkozy zum Präsidenten gewählt worden, da will man auch großspurig strahlen im Bereich internationaler Wirtschaftsbeziehungen mit Peking. Auf der Strecke bleiben -wie immer - die Arbeiter.

Messer in der Vagina

Die Geschichte von Maureen Kearney ist wahr. In Jean-Paul Salomés "Die Gewerkschafterin" erzählt der Regisseur den Fall der engagierten Frau, die vor allem die männlichen Firmenbosse (in den englischen Untertiteln) gerne als "pain in the ass" bezeichnen. Kearneys Geschichte geht aber noch weiter: Eines Tages wird sie von ihrer Haushälterin geschunden in der Waschküche vorgefunden, gebunden an einen Stuhl, mit einem Messer in der Vagina. Hat man sie zum Schweigen bringen wollen? Hat man ihr gedroht, weil sie den wirtschaftlichen Interessen des Konzerns zu sehr im Wege stand? Oder: War etwa alles ganz anders? Hat sich Maureen Kearney vielleicht selbst gefesselt und missbraucht, um Aufmerksamkeit zu erregen?

Der echten Kearney hatte man 2012 genau das vorgeworfen: sich nur ausgedacht zu haben, Opfer eines grausamen Sexualverbrechens geworden zu sein. Ein Schock für die französische Öffentlichkeit und für Kearney selbst, den Salomés Film nun nacherzählt. Dabei setzt er auf eine wie immer brillante Isabelle Huppert, die facettenreich spielt, ganz in ihrem Element, aber weit entfernt davon, redundant zu wirken. Diesmal ist sie die blond aufgedonnerte Gewerkschafterin, die sich mit (fast schon zu viel) Verve Gehör verschafft in einer männerdominierten Atom- und Politik-Welt, in der es für die Anliegen der Arbeiterschaft keinen Platz gibt. Und für die Interessen von Frauen schon gar nicht. Ihre geschasste Ex-Chefin wird gerne als die "Hysterische im Minirock" bezeichnet, Maureen Kearney wird nicht nur medial, sondern auch privat damit konfrontiert, dass sie als Frau nicht wirklich auf dem selben Niveau ist wie die Männer.

All das verwebt Salomé mit viel Polit-Sprech und Wirtschafts-Verschwörungsthriller-Mentalität, die die Machenschaften von Politik und Atomlobby in Frankreich illustrieren sollen; das erscheint zuweilen hölzern, komplex, aber immer engagiert. Ein bisschen wirkt "Die Gewerkschafterin" wie das Pamphlet gegen die Wirtschaftsdominanz in der Politik, zugleich aber auch unentschlossen wie das Porträt einer mutigen Frau. Diese Unentschlossenheit ergibt Abzüge in der Wertung für einen an sich perfekten, spannenden Filmstoff.