Wim Wenders strahlt Glück aus. Wenn man dem 77-jährigen deutschen Regisseur gegenüber sitzt, dann merkt man: Der Mann ist mit sich und der Welt im Reinen. Das war nicht immer so. Vor ein paar Jahren noch wirkte Wenders auch mal desillusioniert, fragte mit 70: "Wieviele Filme werde ich noch machen können? Wieviel Zeit wird mir bleiben?" Wenders hat sich gefangen und in diesem Jahr gleich zwei Filme mit nach Cannes gebracht: In dem 3D-Dokumentarfilm "Anselm" porträtiert er den deutschen Künstler Anselm Kiefer, der Film lief hier außer Konkurrenz. Mit "Perfect Days" ist Wenders im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten. Es ist die Geschichte eines schweigsamen Kloputzers in Tokio, die nur so vor Lebensfreude und Zuversicht strotzt. Zwei wunderbare Filme, und Wenders weiß, dass sie ihm geglückt sind. Stehende Ovationen gab es für ihn im Grand Theatre Lumière, auch die Kritiker liebten seine beiden Filme. Fast 40 Jahre nach "Paris, Texas" hat Wenders nun die Chance auf eine zweite Palme.

"Einen Film über Anselm Kiefer zu machen, war eine Ehre für mich. Ich bin ein großer Bewunderer seiner Kunst", so Wenders im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" in Cannes. "Für mich war es logisch, die Fülle seines Schaffens in 3D abzubilden, weil das ein regelrechtes Eintauchen darin ermöglicht". Tatsächlich besitzt "Anselm" eine ungeheure Sogwirkung, die Kiefers Kunst erlebbar macht. Im Fall von "Beautiful Days" geht die Idee zum Film auf einen Besuch Wenders’ in Tokio zurück. "Ich liebe es, wenn eine Geschichte und ihr Schauplatz aus der Not heraus zusammengehören. Wir haben ‚Perfect Days‘ 60 Jahre, nachdem Ozu seinen letzten Film ‚An Autumn Afternoon’ in Tokio gemacht hat, gedreht. Und es ist kein Zufall, dass der Name unseres Helden Hirayama lautet", so Wenders. Wie er auf die Idee kam, eine Figur zu erschaffen, die als Kloputzer arbeitet? "Zum einen gibt es das starke Gefühl von ‚Service‘ und ‚Gemeinwohl‘ in Japan, zum anderen faszinierte mich die schiere architektonische Schönheit dieser öffentlichen Sanitäranlagen. Ich war erstaunt, wie sehr Toiletten Teil der Alltagskultur sein können und nicht nur eine fast peinliche Notwendigkeit".

Wenders mit seinem Hauptdarsteller Koji Yakusho aus "Beautiful Days".  
- © Katharina Sartena

Wenders mit seinem Hauptdarsteller Koji Yakusho aus "Beautiful Days". 

- © Katharina Sartena

Tatsächlich sind beide neuen Wenders-Filme voller Poesie und Lebensfreude. "Das ist nichts, was man in einem Film beabsichtigen kann, sondern eher ein schöner Fund, ein Geschenk, das man als Filmemacher erhält, von seinen Schauspielern, von den Orten, vom Licht, von allem, was zusammenkommen muss, um so etwas wie Poesie in Bewegung zu bilden", sagt Wenders. Und freut sich wie ein kleiner Bub: "Mit zwei Filmen hier in Cannes zu sein, was Besseres kann einem nicht passieren". 

Der Maler Anselm Kiefer (2.v.l.) kam zu Wenders' Premiere von "Anselm". 
- © Katharina Sartena

Der Maler Anselm Kiefer (2.v.l.) kam zu Wenders' Premiere von "Anselm".

- © Katharina Sartena