Der Antrieb für Fausts (Johannes Zeiler) Teufelspakt ist simpel: Er will bloß eine Nacht mit jener Frau, die er begehrt.
Der Antrieb für Fausts (Johannes Zeiler) Teufelspakt ist simpel: Er will bloß eine Nacht mit jener Frau, die er begehrt.

Im Quartett von Alexander Sokurows Filmen über Lenin, Hitler und Hirohito wirkt sein "Faust" wie ein Fremdkörper. Es ist die einzige literarische Figur dieser Tetralogie, die zwar auf einem historischen Vorbild basiert, jedoch nicht politisch motiviert ist. Dennoch reiht Sokurow den Faust wie selbstverständlich hier ein, denn er arbeitet sich gerne ab an archaischen Mythen und zwiespältigen Protagonisten.

Auch in "Faust" legt Sokurow einen düsteren Schleier über seine theaterhafte Inszenierung: Der Teufel taucht hier in Form eines Pfandleihers auf, und bewusst hat Sokurow ihn nicht Mephisto genannt. Er führt einen Mann mit deformiertem Körper vor, seine Haut so dünn wie Pergament, und sein fahles Gesamtbild, gezeigt in nackter Gestalt beim Besuch eines Badehauses, geschlechterlos.

Der Teufel ist hier mehr ein Zustand als eine Figur, und der russische Tänzer und Pantomime Anton Adassinsky unterstreicht das mit einem fast komödiantischen Zugang zum Bösen. Er ist hier nicht der Verführer, der Faust Glück verheißt, sondern eine widerliche, abstoßende Kreatur voller Häme und Gehässigkeit.

Chaotische Verworrenheit


Auf der anderen Seite steht mit Johannes Zeiler ein Faust, der mehr an Macht interessiert scheint als an Wissen. Zeiler legt die Figur treffend mit einiger Apathie an; der Antrieb für seinen Teufelspakt ist simpel: Er will bloß eine Nacht mit der Frau verbringen, die er begehrt, das genügt ihm schon. Überhaupt dominiert die Einfachheit sein Dasein: Verlottert streift er durch eine heruntergekommene, mittelalterliche deutsche Stadt, die ihn in die Rolle eines depressiven Helden zwingt, der für ein bisschen Sex seine Seele zu geben bereit ist.

All das verschnürt Sokurow in ein staubiges Paket voller inszenatorischer Einfälle; ihm scheint die Form seines Films wichtiger zu sein als sein Inhalt, Erdfarben dominieren. Das Geschehen quetscht Sokurow auf das klassische 4:3-Filmformat. Statt epischer Breite geht sein "Faust" in die Tiefe, schichtet wichtige Handlungsebenen parallel in Vorder- und Hintergründe, spielt dabei mit einem ausgefeilten Tonkonzept: Meistens überlagern sich die Töne, ohne sich jemals zu überdecken - wie in einer Oper, in der zwanzig Personen gleichzeitig singen. Sokurow lässt Sätze gegen ihren Sinn betonen, hebt den Pegel von Dialogen aus dem Hintergrund nach vorn, lässt Nebenfiguren die Texte der Protagonisten fortführen, variieren, überlagern. So inszeniert er eine chaotische, verworrene Welt, in der es keinerlei Orientierung gibt.

Sokurow hat seinen Film heillos überladen, mit Verzerrungen, mit Fantasy-Elementen und ausgebleichten Bildfiltern. Trotzdem - oder deshalb - bleibt die Sicht auf des Werkes Kern unverstellt: Die Suche nach der menschlichen Seele wird zum Höllentrip. Am Anfang steht die Gier, später folgt der Abgrund. "Faust" ist eine Parabel auf moderne Endzeitfantasien. Auch hier gehen die meisten Seelen an sich selbst zugrunde.