Wenn Herr Ochs einen Anruf am Handy kriegt, dann ertönt als Klingelton die Kennmelodie aus der "Deutschen Wochenschau" des Dritten Reiches. Sein Keller beherbergt einen Führer-Schrein mit allerlei feinsäuberlich drapierten einschlägigen Devotionalien. "In diesem Raum", sagt Ochs, "treffen wir uns eigentlich immer, der ist am gemütlichsten." Sein Führer-Porträt staubt er mit einem Wedel in Schwarz-Rot-Gold ab.
Es gibt noch mehr dieser feinsäuberlich versperrten Keller in Ulrich Seidls neuem Film: Der verkappte Opernsänger ("Ich hätte große Partien singen können, habe es aber nie probiert") entpuppt sich als Waffennarr, der am Schießstand unter Tage vom Ende der Burka träumt. Der Jäger, der stolz seine Trophäen - vom Bock bis zum Affen - zeigt und erzählt, wie er einem Freund ein "Wiener Schnitzel aus einer Warzensau" gemacht hat.
Die Caritas-Mitarbeiterin, die dominiert werden möchte und sich darob regelmäßig auspeitschen lässt - bevorzugt mit einem Beachball-Schläger. Der ist besonders schmerzhaft, "ein Kinderspielzeug vom Toysrus". Und den Nachtwächter des Burgtheaters, der als Sklave in einer Beziehung lebt, wo das Sauberlecken der Duschwand mit der Zunge noch zu den angenehmsten Tätigkeiten zählt. Er muss sonst nämlich noch die Genitalien seiner Herrin nach dem Urinieren säubern oder sich drei Kilogramm schwere Gewichte an den Hodensack montieren lassen. "Und jetzt mach den Abwasch", sagt seine Herrin.
Selbst nach Filmen wie "Tierische Liebe", "Hundstage" oder der "Paradies"-Trilogie gelingen Ulrich Seidl noch immer Bilder der Provokation, wie die Reaktionen beim Filmfestival Venedig zeigten. Jedoch ist sein Kino der scheinbaren Skurrilitäten an einem Punkt angekommen, an dem die schaurigsten Momente nicht mehr die sexuellen Praktiken oder die Verherrlichung von Gedankengut sind, sondern die, in denen dunkle Obsessionen gelebt werden: Eine Frau, die lebensechte Puppen im Keller hortet und liebkost, kann - auch, wenn sie erfunden ist - einem viel mehr Schrecken einjagen als der am Seil gespannte Penis eines SM-Sklaven.
Der Horror ist dort, wo man ihn nicht sieht: im Kopf.