"The Sound of Music", hierzulande kaum beachtet, gilt in den USA als Kultfilm. - © Imago/Granata Images
"The Sound of Music", hierzulande kaum beachtet, gilt in den USA als Kultfilm. - © Imago/Granata Images

New York. Ronald Reagan war ein legendär fauler Leser. Wenn Berichte seiner Minister über eine Seite lang waren, mahnte er sie regelmäßig, sich kürzer zu fassen. Sich der beschränkten Aufmerksamkeitsspanne seines Chefs bewusst, hielt sich allen voran sein Außenminister James Baker an diese Vorgabe, und nachdem sich die Komplexität der Dinge im Kalten Krieg in Grenzen hielt, führte das gottlob selten ins Unglück. Aber selbst wenn sich der erfahrene Diplomat so kurz wie möglich fasste, dankte es ihm sein Präsident nicht immer. Alles eine Frage der Prioritäten.

Man schrieb das Jahr 1983, als es ein Treffen der damals wie heute wichtigsten sieben Industriestaaten der Welt vorzubereiten galt. Baker war am Morgen bei Reagan angetanzt, um sich den Segen für ein am Tag zuvor abgegebenes Positionspapier zu holen. Der Präsident versuchte erst gar nicht zu verbergen, dass er nämliches trotz seiner Kürze nicht gelesen hatte. Seine Ausrede? "Well, Jim, ,The Sound of Music‘ was on last night."

Völlig Gaga nach "Music"


Schnellvorlauf ins junge Jahr 2015. Im Rahmen der Verleihung der Academy Awards in Los Angeles, Kalifornien, hebt die Sängerin Lady Gaga die Stimme an zur Intonierung eines Klassikers der modernen Unterhaltungsgeschichte. "The Hills are Alive", viele trauten weder ihren Augen noch ihren Ohren, weil das ganze auf den ersten Blick so gar nicht zusammenging - und dann doch nicht nur funktionierte, sondern auch noch gut klang.

Eine historische Anekdote und ein aktuelles Ereignis, die nichts miteinander zu tun haben, aber eines belegen: Wie tief eingebrannt ins kollektive Gedächtnis Amerikas sich ein Film und seine Lieder haben, die vor einem, nun ja, interessanten Hintergrund spielen: Österreich.

Zuerst die Formalitäten, damit man überhaupt einmal ein Gefühl für das bekommt, was "The Sound of Music" so alles angerichtet hat, seit er vor 50 Jahren, genauer am 2. März 1965, Premiere feierte. Je nachdem, was man an Erlösen einrechnet, rangiert er zwischen den Plätzen fünf und 15 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Fünf Oscars, darunter die für "Bester Film", "Bester Regisseur" und "Beste Musikadapation". Abermillionen verkaufte Soundtracks. Das alles bei einer Spiellänge der Originalversion von rund drei Stunden. So.

Anlässlich des runden Jubiläums hat sich jetzt ein US-Historiker namens Tom Santopietro des Phänomens angenommen und die Geschichte dieses essenziellen Hollywood-Schinkens nacherzählt. Auf derart akribische Art und Weise, dass einem beim Lesen schon bald das Gefühl beschleicht, dass man das alles vielleicht doch nicht so genau wissen wollte. Aber gut, weil es nun einmal so ist, dass dieser Film das Image Österreichs in der Welt geprägt hat und teilweise immer noch prägt wie kein anderer: Zähne zusammen gebissen, Augen auf.

Eine Auswahl der subjektiv wichtigsten, von Santopietro in "The Sound of Music Story" (St. Martin’s Press) recherchierten Fakten: Erstmal sei es ein Wunder gewesen, dass die auf wahren Begebenheiten beruhende, aber durch den Hollywood’schen Süßholzraspler gedrehte Geschichte überhaupt die Welt der Lichtspieltheater erblickte. Zu dem Zeitpunkt, als man bei 20th Century Fox erstmals darüber nachdachte, das Broadway-Musical gleichen Namens für die Leinwand zu adaptieren, saßen den dortigen Finanzleuten noch immer die enormen Verluste von "Kleopatra" in den Knochen. Der Monumentalschinken mit Elizabeth Taylor und Richard Burton hätte fast für die Pleite des Studios gesorgt.

Ein Star muss her


Als sich der legendäre Boss Jack Warner am Ende doch durchrang, rund acht Millionen Dollar in "The Sound of Music" zu stecken, wollte er zumindest in einem auf Nummer sicher gehen: Dass die Hauptrolle - die engelsgleiche Maria von Trapp, ehemalige Nonnenanwärterin und treusorgende Stiefmutter von sieben und drei eigenen Kindern - von einem Star gespielt werden sollte. Weil aber von den damals üblichen Verdächtigen (unter anderem waren Grace Kelly, Anne Bancroft, Angie Dickinson und, ganz im Ernst, Doris Day im Gespräch) keine konnte oder wollte, setzte sich am Ende Regisseur Robert Wise mit seiner Wunschbesetzung durch.

Julie Andrews hatte die Rolle der von Trapp zu diesem Zeitpunkt längst verinnerlicht, hatte sie sie doch jahrelang am Broadway gespielt. Auch mit der Besetzung der männlichen Hauptrolle des Georg von Trapp, einem verwitweten, ehemaligen Marine-Kapitän der Donaumonarchie, der mit seiner Familie buchstäblich solange gegen die Nazis ansingt, bis nichts mehr geht und sie alle im Jahr 1939 über die Berge in die Schweiz flüchten müssen, tat man sich schwer. (In Wahrheit ging es zuerst nach Italien und dann weiter über Großbritannien nach Amerika, aber das ist eine andere Geschichte.) Rex Harrison, David Niven, Richard Burton waren im Gespräch und lange sah es tatsächlich so aus, dass die Wahl auf, ja wirklich, Yul Brynner fallen würde. Anders als Christopher Plummer, der am Ende widerwillig, aber doch zusagte, den Part zu übernehmen, hatte sich Brynner bis zuletzt dafür stark gemacht.