Wien. Karl Merkatz ist so etwas wie ein österreichisches Nationalheiligtum. Nicht nur, weil der beliebte Schauspieler die Rolle seines Lebens, den Edmund Sackbauer, als eine Typisierung des Wienerischen angelegt hat, wofür ihn die Menschen, von Jung bis Alt, bis heute lieben. Sondern auch, weil er die Bürde, die eine solche Lebensrolle mit sich bringt, immer mit völliger Gelassenheit ertragen hat. Der 84-Jährige sieht seinen Beruf als Handwerk, wie dereinst die Tischlerlehre, die er nie abgeschlossen hat.
Jetzt hat Merkatz mit "Der Blunzenkönig" unter der Regie von Leo Bauer wieder einen Kinofilm gedreht, in dem er sich als Fleischhauer vom alten Schlag mit neumodischen Begriffen wie "vegetarisch" oder "vegan" herumschlagen muss. Die Vorlage dazu stammt von Christoph Frühwirth, der den Text 2004 für eine Lesung mit Merkatz verfasst hatte. Leo Bauer, bisher hauptsächlich bei TV-Comedyformaten im Einsatz, inszenierte erstmals für das Kino. "Der Blunzenkönig" startet am kommenden Freitag in den Kinos, beim Interview mit Merkatz im Waldviertlerhof gibts dazu passend Blunzngröstl und als Geschenk die Salz-Pfeffer-Mühle, die ein Gewürzhersteller eigens nach Merkatz benannt hat.

"Wiener Zeitung": Herr Merkatz, auch im "Bockerer" waren Sie ein Fleischhauer. Ein Beruf, der es Ihnen angetan hat?
Karl Merkatz:Ich fand die Vorlage einfach wunderbar: Den Text zum "Blunzenkönig" hat Christoph Frühwirth schon vor zehn Jahren geschrieben, ursprünglich für eine Lesung, aber ich sagte ihm, das kann man nicht lesen, das muss man spielen!
Im Film heißt es "Die Körndlfresser sind mir wurscht." Wie steht Karl Merkatz zum Begriff "vegan"?
Als dieses Wort aufkam, musste ich zunächst einmal nachfragen, was das überhaupt heißt. Dabei ist es nur vegetarisch ganz ohne Tier. Ich verstehe, dass es Menschen gibt, die so leben möchten. Aber auch der Blunzenkönig durchläuft eine Veränderung in unserem Film: Die Sau, die er früher einfach abgestochen hätte, kann er plötzlich nicht mehr töten. Er entwickelt einen Bezug zu diesem Lebewesen, er beginnt sogar, mit ihm zu reden, wenn es um psychische Probleme geht. Zum Beispiel teilt er die Erinnerung an seine verstorbene Frau mit der Sau. Bei der Sau bringt der Blunzenkönig sein Innerstes nach außen. Das Gespräch mit der Sau war für mich fast eine philosophische Situation.
Erinnern Sie sich an eine besonders launige Szene?
In einer Szene musste ich in einem Sarg liegen, und drei alte Frauen saßen daneben und beteten. Ihre Gebete waren so berührend, dass ich einschlief. Ich habe die ganze Szene verschlafen! Als sie abgedreht war, weckte man mich, und ich war ganz verwundert, wo die drei betenden Frauen abgeblieben waren. Das war eine der schönsten Szenen: Keinen Text zu haben, sich hinzulegen und einzuschlafen. Wie es in einem Sarg eigentlich sein sollte.
Sind Sie selbst auch ein Fan von Blutwurst, Beuschel und all diesen Altwiener Traditionsgerichten?
Ich esse Beuschel sehr gerne, aber auch Blunzn. Als Kind war ich selbst beim Abstechen dabei und habe der Großmutter beim Blutrühren zugeschaut.
In Ihnen steckt also doch ein verhinderter Fleischermeister?
Nein, eher ein Tischler. Ich war dreieinhalb Jahre Geselle, habe die Meisterprüfung schließlich aber zugunsten der Schauspielerei nicht mehr abgelegt. Tischlern ist ein reines Handwerk. Das Schauspielen auch, da gibt es eine Parallele. Rollen muss man sich erarbeiten, mit Kunst hat das wenig zu tun. Ich tischlere immer noch sehr gerne. Doch oft, wenn etwas fertig ist, merke ich, dass das Schammerl wackelt. Dann muss man das richten. Als Schauspieler ist es genauso: Man macht etwas, wie zum Beispiel diesen Film, und dann sieht man sich das an und denkt: Na, da hast wieder einen Blödsinn gmacht.
Aber dann kann man es nicht mehr korrigieren wie ein Tischler.
Aber man lernt daraus. Sobald ich einen Fehler merke, ist es kein Meisterstück mehr. Schauspielen ist ein Handwerk, das man sich erarbeiten muss.
Dadurch steht man quasi bei jedem Projekt wieder am Anfang.
Ja, das stimmt. Ich muss mir jedes Mal aufs Neue die Sprache und den Dialekt einer Figur erarbeiten. Sie müssen sich vorstellen: Ich war 20 Jahre meines Berufslebens - ganz von Beginn an bis 1973 - in Deutschland und habe auf deutschen Bühnen gespielt. Nur einmal war ich dazwischen für zwei Jahre in Österreich. Das Handwerk überwiegt, aber meinen Meister habe ich nie gemacht, weder im Tischlern noch im Schauspielern.
Empfinden Sie den "Mundl" nicht als Ihr Meisterstück? Er ist immerhin eine Ikone der österreichischen Befindlichkeit geworden.
Das liegt an etwas anderem: am Autor. An den Büchern von Ernst Hinterberger. Ich bekam das erste Buch 1975 in München, da war ich an den Kammerspielen engagiert. Ich musste mich damals ganz langsam wieder an die österreichische Sprache herantasten. Das Idiom verliert man nicht, das bleibt. Aber man verlernt den Dialekt. In Hamburg musste ich stets Bühnensprache sprechen. Meine Kinder kennen zum Beispiel gar keinen österreichischen Dialekt. Die sprechen hamburgisch. Das echte Wienerisch, das so echt nicht war, das ich aber als "Mundl" gesprochen habe, das könnten meine Töchter nie! Ich konnte das damals auch nicht. Für die erste "Mundl"-Folge musste ich den Text mit der richtigen Sprachmelodie erst wieder erlernen. Die hat sich so geäußert, wie sie schließlich geworden ist, und das habe ich dann durchgezogen bis zum Ende. Den echten Wiener musste ich mir anlernen.
Der Edmund Sackbauer ist aber endgültig vorbei, oder?
Ja, der ist insofern vorbei, als dass ich oft von jungen Leuten angesprochen werde und sie mir meine damaligen Textzeilen vorsprechen, an die ich mich gar nicht mehr erinnern kann.
Schauen Sie sich manchmal alte Folgen an?
Die Silvester-Folge schaue ich mir jedes Jahr an. Ich lache da ja nicht über mich, sondern über den! Das ist mein Fixpunkt. Selbst, wenn wir ausgegangen sind, sage ich zu meiner Frau: Wir müssen um zehn daheim sein, weil da fängt der Mundl an.
Viele Schauspieler hassen es, sich selbst zu sehen.
Es stört mich nicht, denn das, was ich da sehe, bin ja nicht ich.