Einer, der ebenfalls aus seiner Biografie heraus vieles zum heutigen jüdischen Kulturleben in Wien beigetragen hat, ist Kurt Rosenkranz. Der gebürtige Wiener flüchtete mit seiner Familie nach Riga, wurde zunächst in Russland, später im heutigen Kasachstan interniert und kehrte 1946 nach Österreich zurück. 1989 gründete er das Jüdische Institut für Erwachsenenbildung (JIFE), zeichnet aber auch für das Entstehen des Jüdischen Filmfestivals und des Jiddischen Kulturherbstes, der bis heute alljährlich vom JIFE veranstaltet wird, verantwortlich.
Bot der Jiddische Kulturherbst in den vergangenen Jahren stets ein buntes Programm von Veranstaltungen, kehrt man heuer, so Rosenkranz zur "Wiener Zeitung", zur ursprünglichen Idee zurück, jiddisches Theater nach Wien zu bringen. Erstmals ist dabei die Folksbiene - das National Yiddish Theatre aus New York - zu Gast in Österreich. Von 10. bis 12. Oktober zeigt sie "The Golden Land", ein Musical von Zalmen Mlotek und Moishe Rosenfeld in der Regie von Bryna Wassermann.
Spielort ist das Muth, Aufführungssprachen sind Englisch und Jiddisch (mit deutschen Übertiteln). "The Golden Land" erzählt von den jüdischen Emigranten nach Amerika ab Ende des 19. Jahrhunderts - der Bogen spannt sich aber bis in die Zeit nach dem Holocaust, also bis zur Einwanderungswelle der Überlebenden des NS-Unrechtsregimes.
Die aktuelle Flüchtlingsbewegung nach Europa ist auch bei den Verantwortlichen des Jiddischen Kulturherbstes Thema. Die Parallele zu damals besteht für Rosenkranz darin, "dass Menschenleben in Gefahr sind und Menschen versuchen, dieser Gefahr auf oft gefährlichen Wegen zu entgehen". Er streicht aber auch einen Unterschied hervor: "Die jüdische Emigrationsgeschichte beziehungsweise Verfolgung besteht seit Jahrhunderten und auf diese Weise haben unsere Vorfahren gelernt, all die Jahre mit dem Koffer im Kopf zu leben."
Die Folksbiene thematisiert Hoffnungen und Sehnsüchte
Jiddische Produktionen würden sich sowohl mit jüdischer Geschichte als auch mit jiddischer und allgemeiner Literatur beschäftigen. "The Golden Land" sei ein gutes Beispiel für die Hoffnungen und Sehnsüchte, das Leben für sich und seine Familie zu verbessern", meint Rosenkranz. "Und ich glaube, gerade dieses Thema zieht sich aufgrund der Historie wie ein roter Faden durch viele Produktionen."
Die Folksbiene ist übrigens eine von nur mehr fünf verbliebenen jiddischen Theatergruppen weltweit. Das JIFE versucht hier neuerlich, in Wien einen Impuls zu setzen: Diesen Herbst startete das Institut das "Scheinys Yiddish Theatre Project". Unter der Leitung der Performerin Deborah "Scheini" Gzesh werden im Rahmen eines Kurses Stücke und Szenen in jiddischer Sprache, aber auch mehrsprachige Szenen erarbeitet. Entstehen soll so eine Laiengruppe, die sich jiddischen Theaters annimmt - Interessierte können noch dazustoßen (Jiddisch- und Englischkenntnisse sowie Theatererfahrung sind von Vorteil, werden aber nicht vorausgesetzt).